(Prof. Wolfram Mayerhöfer auf Telepolis):
Bei einer derart großen Anzahl von Tests (wie jetzt üblich, Anm. der Red.) kann man (abgesehen von Falschtestungen) von einer halbwegs repräsentativen Abbildung der Bevölkerung sprechen. Anlass der Tests ist ja nicht mehr, dass jemand Symptome verspürt, sondern Testanlässe sind Kontakte zu positiv Getesteten, Ängste oder Verpflichtungen zu Tests, z.B. bei Reisen - wir haben also eine recht gutes Abbild der Bevölkerung.
Der Anteil der positiv Getesteten steigt wöchentlich. Ob dies eine Gefahr anzeigt ist unbekannt, denn hier liegt eine "Messung ohne Kalibrierung" vor: Es hat noch nie eine derartige Massentestung der Bevölkerung auf irgendeinen Grippevirus hin gegeben, so dass wir nicht wissen, ob das Ansteigen der Verbreitung von Grippeviren nicht völlig normal ist. Es ist gut denkbar, dass in jedem Herbst jeder Grippevirus einen solchen Zuwachs an Verbreitung in der Bevölkerung aufzeigt.
Wenn nun aber 7% der Bevölkerung (hier sind die Getesteten gemeint, Anm. der Red.) Sars-CoV-2-positiv sind, dann müssen auch ungefähr 7% der Toten Sars-CoV-2-positiv sein. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Sterbende sich nicht anstecken können. Auch sie haben Kontakt zu anderen Menschen. In Deutschland sterben wöchentlich etwa 20.000 Menschen, wobei das Sterben sich in Wirklichkeit sehr ungleich auf das Jahr verteilt. 7% von 20.000 Menschen sind 1400 Menschen. In Deutschland sterben derzeit also jede Woche ungefähr 1400 Menschen, die Sars-CoV-2-positiv sind.
Diese Zahl ist völlig unabhängig davon, ob irgendeiner dieser Toten durch den Sars-Cov-2-Virus zu Schaden gekommen ist. In die Covid-19-Todesstatistik gelangt man nicht, indem man an oder mit Covid-19 stirbt. Man gelangt in diese Statistik, indem man stirbt und gleichzeitig positiv auf Sars-Cov-2 getestet wurde. Das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht deshalb von "Todesfällen in Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen", was unpräzise formuliert ist, weil das Vorhandensein des Sars-Cov-2-Virus ja oftmals gar nicht zu einer Covid-19-Erkrankung führt. Es wird überhaupt nicht die Anzahl der Covid-19-Kranken gezählt, sondern nur die Anzahl der Sars-Cov-2-Infizierten.
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Bei der mathematischen Modellierung der Grippe-Toten steht man vor folgendem Problem: Man weiß nicht so richtig, woran Menschen sterben. Schließlich will man nicht jeden Toten obduzieren. Und bei Menschen, die an mehreren Krankheiten leiden, kann selbst durch eine Obduktion nur abgeschätzt werden, welchen Anteil am Sterben welche der Krankheiten hatte. Juristisch sagt man: X ist dann Todesursache, wenn der Mensch ohne X nicht gestorben wäre. Auch in diesem Sinne ist es sinnvoll, von mehreren Todesursachen gleichzeitig zu sprechen: Wenn jemand 5 Krankheiten hat, dann kann es sein, dass er nicht gestorben wäre, wenn es nur eine weniger gewesen wäre - und zwar egal welche der fünf.
Wolfram Meyerhöfer war 13 Jahre Professor für Mathematikdidaktik, zuletzt an der Universität Paderborn.