Werbung selbst für «Schrott» wirkt – und dies ganz besonders bei jungen Menschen und ärmeren Bevölkerungsschichten. Das ist das zentrale Ergebnis einer kürzlich in der Fachzeitschrift Obesity Review veröffentlichten Studie. Die Arbeit ist insofern einzigartig, als sie Erkenntnisse zusammenfasst aus 108 empirischen Studien und 19 systematischen Vorberichten aus 25 Jahren Forschung zu verschiedenster Werbung für ungesunde Lebensmittel bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Social-Media-Influencer-Marketing gewinnt in diesem Zusammenhang immer mehr an Bedeutung.
The Defender fasst die wichtigsten Ergebnisse wie folgt zusammen:
- Erhöhter Verbrauch: Mehr als 90 Prozent der analysierten Studien ergaben, dass die Exposition gegenüber Junk-Food-Werbung den Konsum steigert – insbesondere von zuckerhaltigen Getränken und energiereichen Snacks –, sei es durch bestimmte Anzeigen, Logos oder Branding. Schon eine kurze Exposition kann einen Effekt haben: In einer Studie wurde aufgezeigt, dass Kinder, die nur fünf Minuten lang Lebensmittelwerbung sahen, an diesem Tag etwa 130 Kalorien mehr aßen.
- Markentreue beginnt früh: Bei denjenigen, die wiederholt Werbung ausgesetzt sind, bauen sich positive emotionale Assoziationen auf, die langfristige Vorlieben zementieren. Selbst Anzeigen, die nur Logos zeigen, können Heißhunger auslösen und zu vermehrtem Essen führen. Studien bringen die Markenbewusstsein und -wiedererkennung, die die Hauptziele der Werbung darstellen, mit einer höheren Fettleibigkeitsrate bei Kindern in Verbindung.
- Leistungsstarkes digitales Marketing: Social-Media-Influencer-Marketing auf Plattformen wie TikTok und Instagram wird zunehmend als Taktik eingesetzt, um ungesunde Lebensmittel bei Teenagern zu bewerben. Diese Anzeigen erscheinen oft als Peer-to-Peer-Inhalte – also als Inhalte, die von Konsumenten (Influencern) für Konsumenten erstellt oder geteilt werden, anstatt direkt von einem Unternehmen oder einer Marke –, was es gerade auch für junge Menschen schwieriger macht, sie als Werbung zu erkennen. Während sich Social-Media-Kanäle ständig weiterentwickeln, zeigen Studien, dass häufige Exposition mit einer stärkeren Vorliebe für kalorienreiche, nährstoffarme Lebensmittel und einer positiveren Einstellung zu ungesunden Marken verbunden ist.
- Ergebnisse in Bezug auf Übergewicht und Adipositas: Nur 19 Prozent der Studien untersuchten die gesundheitlichen Auswirkungen, aber in den meisten dieser Arbeiten wurden Zusammenhänge zwischen ungesundem Lebensmittelmarketing und einem höheren Body-Mass-Index, Gewichtszunahme oder einem erhöhten Fettleibigkeitsrisiko – verursacht insbesondere durch ultraverarbeitete Lebensmittel und zuckerhaltige Getränke – festgestellt (siehe dazu auch den TN-Artikel «Studie: Hochverarbeitete ‹Lebens›mittel stehen in Verbindung mit vier von zehn Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erhöhtem Sterberisiko»). Eine US-Studie über mehr als 2500 junge Menschen ergab, dass diejenigen, die am empfänglichsten für Fast-Food-Werbung sind, signifikant häufiger an Fettleibigkeit leiden. Eine andere Studie ergab, dass Kinder, die sich an mehr Lebensmittelwerbung erinnern konnten, mehr Lebensmittel wählten und nach der Exposition mehr Kalorien konsumierten.
Die Autoren der Übersichtsarbeit kommen auch zu der Erkenntnis, dass Unternehmen in den USA mit ihrer Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke überproportional gezielt schwarze und lateinamerikanische Jugendliche ansprechen, insbesondere über das Fernsehen, Werbetafeln und digitale Medien. Gemeinden mit niedrigerem Einkommen sind dabei stärker gesundheitsschädlichen Produkten ausgesetzt. Nicholas Freudenberg, einer der Autoren und Professor für öffentliche Gesundheit am Urban Food Policy Institute der City University of New York, wird dazu wie folgt zitiert:
«Die rassistisch motivierte und gezielte Vermarktung ungesunder Nahrungsmittel und Getränke verschärft die ohnehin schon großen Unterschiede bei ernährungsbedingten Krankheiten zwischen wohlhabenderen Weißen und Angehörigen der Arbeiterklasse sowie Schwarzen und Braunen*.
Da die Zahl chronischer Erkrankungen unter jüngeren Menschen rapide zunimmt, braucht dieses Land politische Maßnahmen, die die schädlichen Auswirkungen dieser Branchenpraktiken verringern.»
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* Mit «brown people» werden insbesondere in den USA Menschen bezeichnet, die von nicht-weißer, meist südasiatischer, arabischer, lateinamerikanischer oder indigener Herkunft sind.
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