Die EU-Staaten, die infolge der antirussischen Sanktionen mit wirtschaftlichen und Energieversorgungsproblemen zu kämpfen haben, wollen ein Ende des Krieges in der Ukraine. Zugleich versuchen sie aufgrund der Probleme «verzweifelt», wieder russisches Erdgas und Erdöl beziehen zu können.
Das behauptet zumindest der britische Historiker Max Hastings in einer am Sonntag veröffentlichten Kolumne für die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg. Und er stellt fest, dass selbst Washington auch nach 175 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern für Kiew «kein Szenario für einen Sieg der Ukraine sieht».
Der Autor plädiert nicht für einen vernünftigen Ausweg aus dem Krieg, um diesen endlich zu beenden, sondern fordert stattdessen noch mehr Waffen und Geld für die Ukraine. Dies nicht zu liefern, sieht er als «Schande» für den Westen an – zugleich bringt er interessante Informationen, warum das so ist.
Hastings warnt vor einem «Ausverkauf der Ukraine», womit er allerdings die Tatsache meint, dass Russland inzwischen etwa ein Fünftel des vorherigen ukrainischen Territoriums kontrolliert. Den tatsächlichen Ausverkauf des Landes «im Schatten des Krieges» durch Kiew selbst, ob nun im Agrar- oder im Rohstoffbereich, nimmt er nicht in den Blick.
Ebenso lässt er außen vor, dass der Kiewer Präsidentendarsteller Wolodymyr Selenskyj in seinem «Siegesplan» den Ausverkauf des Landes ausbauen will und die wertvollen Rohstoffe «im Wert von Billionen US-Dollar» anpreist. Damit will er den Westen zu mehr Unterstützung locken und ihn dafür «belohnen».
Hastings schreibt unter anderem, dass nicht nur bei einem Wahlsieg von Donald Trump die US-Unterstützung für Kiew eingestellt werden könnte. Auch Gegenkandidatin Kamala Harris werde wegen der Aussichtslosigkeit für einen ukrainischen Sieg einen «Deal zur Beendigung des Krieges anstreben».
Er meint, dass das Kriegsgeschehen im Nahen Osten die öffentliche und politische Aufmerksamkeit von der Ukraine ablenke. Dadurch stünden auch weniger US-Waffen für Kiew zur Verfügung.
Der Autor schreibt, dass Russland mutmaßlich auch im Ausland Waffen kauft und diese geliefert bekommt, so von Nordkorea und aus dem Iran. Die russischen Truppen würden auch das «Starlink»-System von Elon Musk nutzen. Die Frage, warum das alles nur einer Seite möglich sein sollte, beantwortet er natürlich nicht.
Dafür beklagt er, dass die versprochenen Munitionslieferungen aus dem Westen an Kiew «auf ein Rinnsal geschrumpft» seien. Die USA könnten nicht so viel wie gewünscht und versprochen produzieren und die antirussischen Sanktionen seien «sehr durchlässig».
Hastings macht auf die ukrainische Verbitterung aufmerksam, dass die US-Regierung bisher keine Freigabe für den Einsatz gelieferter Waffen gegen Ziele in Russland erteilt hat. Zudem habe es im Westen auf Selenskyjs «Siegesplan» viel «unterstützende Rhetorik» gegeben – aber mehr nicht.
In der Ukraine selbst würden inzwischen viele Menschen statt von einem «Sieg» von notwendigen Verhandlungen mit Russland sprechen, was lange Zeit als «Verrat» gegolten habe. Sie würden einräumen, dass ihnen klar sei, dass Russland sich nicht aus den eroberten Gebieten zurückziehen werde.
Zum ukrainischen Einmarsch in die russische Region Kursk im Sommer dieses Jahres schreibt er, dass sich dieser als «Stoß ins Leere» erwiesen habe:
«Wenn überhaupt, könnte der Angriff Putins Kampagne unterstützt haben, den Krieg dem russischen Volk als einen von der NATO gesteuerten Angriff auf ihr Heimatland darzustellen.»
2024 werde sich zweifellos als «ein erfolgreiches Jahr» für den russischen Präsidenten Wladimir Putin erweisen, während es für Selenskyj «ein trauriges und schwieriges» sei. Es gelinge Kiew immer weniger, die westlichen Staaten und ihre Bevölkerungen zu überzeugen, die Ukraine zu unterstützen und dafür eigene Opfer in Kauf zu nehmen.
Hastings sieht die «reale Perspektive», dass Russland die Ukraine nicht erobern werde, aber in einen Zustand halten könnte, «in dem kein vernünftiger Mensch dort leben oder investieren wollen würde». Unabhängig von der Frage, wen er als «vernünftig» ansieht, stellt er fest:
«Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass die sieben Millionen Ukrainer, die ihr Land seit Februar 2022 verlassen haben, zurückkehren wollen. Die Wirtschaft der Ukraine steht auf der Kippe.»
Was er als «beste Garantie für die Sicherheit der Ukraine» ansieht, die NATO-Mitgliedschaft, sei aber «höchst unwahrscheinlich», unter anderem, weil Washington skeptisch sei und Berlin sein Veto einlegen würde. Erwartungsgemäß verliert Hastings kein Wort über die vom Westen torpedierte russisch-ukrainische Vereinbarung vom Frühjahr 2022 über eine Neutralität des Landes als Sicherheitsgarantie.
Er macht darauf aufmerksam, dass Kiew jedes Abkommen ohne westliche militärische Sicherheitsgarantie ablehnen werde. Aber zugleich weist er darauf hin, dass Moskau, anders als zuvor, neben der NATO-Mitgliedschaft inzwischen auch eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU ablehnen könnte.
Hastings behauptet, Russland sei in die Ukraine einmarschiert, «weil Moskau sich weigert, einen erfolgreichen demokratischen, unabhängigen Nachbarn zu tolerieren». Woher er das nimmt, bleibt sein Geheimnis, auch dass Moskau eine russische Marionettenregierung in Kiew anstrebe – als wäre die dortige Führung seit 2014 keine Marionettenregierung der USA, bei allem Einfluss westukrainischer nationalistischer Extremisten.
Auch wenn Hastings es anders meint, hat er Recht, wenn er feststellt, dass die westliche Führung versagt habe. Dieser mangele es an «Entschlossenheit und Durchhaltevermögen für einen langwierigen Konflikt» und Putin könne recht behalten, «dass der Westen dekadent und gespalten ist».
Was der Autor bedauert, kann Anlass für Hoffnung dafür sein, dass der Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland auf ukrainischem Boden bald ein Ende findet. Wer der Ukraine helfen wolle, müsse dafür sorgen, dass dieser Krieg endet, stellte unlängst die Publizistin Gabriele Krone-Schmalz fest.
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