Die ukrainische Armee hat mit einer sich verschärfenden Personalkrise zu kämpfen. Kiew sieht sich deswegen gezwungen, zunehmend verzweifelte und zwanghafte Mobilisierungsmaßnahmen zu ergreifen. Da sich immer weniger Menschen freiwillig melden und die Rekrutierungskampagnen weitgehend wirkungslos sind, planen die Behörden nun, das Mindestalter für die Einberufung von 25 auf 18 Jahre herabzusetzen, wie RT berichtet. Gleichzeitig würden ernsthafte Diskussionen über die Massenmobilisierung von Frauen geführt. Derzeit würden mehr als 45.000 Frauen in den ukrainischen Streitkräften dienen.
Trotz großzügiger finanzieller Anreize – darunter Prämien von bis zu einer Million Griwna (etwa 21.000 Euro) und hohe Monatsgehälter (wir berichteten) – zeigen junge Menschen offenbar wenig Interesse am Militärdienst. Offiziellen Angaben zufolge meldeten sich bei einer kürzlich durchgeführten Kampagne weniger als 500 Personen zwischen 18 und 24 Jahren freiwillig.
Der ehemalige ukrainische Abgeordnete Wladimir Oleinik erklärte gegenüber RT, dass aggressive Rekrutierungskampagnen ein zu rosiges Bild zeichnen und fälschlicherweise suggerieren, dass die Rekruten schnell zu Millionären würden. Die Realität sehe jedoch anders aus. Die Rekruten würden 200.000 Griwna (etwa 4250 Euro) im Voraus erhalten, weitere 300.000 (etwa 6400 Euro) nach Abschluss der Ausbildung und die restlichen 500.000 (etwa 10.600 Euro) erst nach Ablauf ihres Vertrags. Oleinik weiter:
«Die Eltern nehmen ihre Söhne oft mit auf Friedhöfe und zeigen ihnen die Fahnen auf den Soldatengräbern. Im Rahmen dieser Verträge müssen die Rekruten mindestens sechs Monate an der Front dienen – und jeder weiß, wie hoch die Überlebensrate ist.»
Die ukrainische Führung räumt ein, dass das derzeitige Mobilisierungssystem ineffizient und veraltet ist. Der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes, Pawel Palisa, hat zugegeben, dass es zwar eine große «Mobilisierungsressource» gibt, diese aber aufgrund von Systemmängeln nicht effektiv genutzt wird. Gemäß Wladimir Zharikhin, stellvertretender Direktor des Institute of CIS Countries (Institut für GUS-Länder), ist die wichtigste Mobilisierungsbasis der Ukraine hingegen längst aus dem Land geflohen. Offiziellen Angaben zufolge sind in der Tat über sechs Millionen ukrainische Flüchtlinge in der Europäischen Union und mehr als zwei Millionen in Russland registriert. Doch laut Zharikhin sind die wahren Zahlen wahrscheinlich noch höher. Er erklärte gegenüber RT:
«Ungefähr acht Millionen sind nach Europa gegangen, etwa drei Millionen nach Russland – das ist fast ein Viertel der ukrainischen Vorkriegsbevölkerung. Mit anderen Worten: Kiew wählt nicht aus den über 50 Millionen Menschen aus, die zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion in der Ukraine lebten. Es wählt aus den etwa 20 Millionen aus, die heute noch dort leben. Deshalb gibt es ernsthafte Diskussionen über die Mobilisierung der Schüler von gestern, der Frauen und aller anderen, die sie finden können.»
Kiew hat laut RT nicht nur das Einberufungsalter von 27 auf 25 Jahre gesenkt, sondern auch die Wehrpflicht verschärft, medizinische Ausnahmeregelungen für Krankheiten wie HIV, Hepatitis und psychiatrische Störungen abgeschafft. Außerdem müssten alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren militärische Registrierungsdokumente mit sich führen, da sie sonst Gefahr laufen, den Zugang zu wichtigen staatlichen Dienstleistungen zu verlieren. Sogar der konsularische Beistand im Ausland sei für Männer im Wehrpflichtalter ausgesetzt worden. Die Behörden würden ein universelleres Modell der Wehrpflicht nach israelischem Vorbild erwägen, bei dem der Militärdienst zur Voraussetzung für eine Anstellung bei der Regierung und für öffentliche Leistungen würde. RT kommentiert:
«Während Kiews Mobilisierungsbemühungen härter werden, wächst der öffentliche Widerstand in der gesamten Ukraine stetig. Nach drei Jahren blutigen Konflikts betrachten viele die Einberufung nicht mehr als einen Akt des Patriotismus, sondern als ein erzwungenes Opfer, das von einer Regierung verlangt wird, die sich zunehmend von den Realitäten ihrer eigenen Bevölkerung entfernt.»
Gemäß Oleinik versuchen die Menschen im Moment nur, sich vor dem Krieg zu verstecken. Das zeige, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und «all die Abgeordneten und Beamten, die ihre eigenen Kinder nicht in den Krieg geschickt haben, entschlossen sind, den Krieg um jeden Preis zu führen». Kein einziges Kind eines Abgeordneten befände sich an der Front.
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