Das möchte ich ganz deutlich an die Adresse der SVP, von Pro Schweiz
und an die Adresse der Kompassinitiative gerichtet wissen:
Wir brauchen Unterstützung. Sonst werden wir das nicht schaffen.»
Philipp Kruse, Rechtsanwalt

Liebe Leserinnen und Leser

Wir lesen praktisch jeden Tag irgendwo in den Medien etwas über das konfliktbeladene Verhältnis der Schweiz zur EU. Das Dilemma besteht darin, dass die Schweiz nicht Mitglied sein möchte, aber doch auf den Binnenmarkt angewiesen ist und dabei mitmachen will (ich habe zum Beispiel hier, hier und hier darüber berichtet).

Aber über die Verträge mit der WHO lesen wir praktisch nichts. Es geht einerseits um den «Pandemievertrag» – hier sind die Verhandlungen im Gang und sein Schicksal ist ungewiss – andererseits um die aktualisierten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Diese wurden an der letzten Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am letzten Tag in einem intransparenten Verfahren durchgewunken, das nicht einmal in einem Schweizer Kaninchenzüchterverein zulässig wäre.

Mächtige Akteure wie die größte Schweizer Partei, die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Pro Schweiz und die jüngst lancierte Kompassinitiative wenden sich gegen Souveränitätsverlust und Selbstbestimmung, haben aber lediglich die EU im Visier. Die Vorgängerin der Pro Schweiz half 1992 dabei, dass die Mitgliedschaft der Schweiz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt wurde, und die jüngst lancierte Kompassinitiative schlägt einen Verfassungszusatz vor, der Verträge, die der Bundesrat, also die Schweizer Landesregierung, mit der EU schließen will, von vorneherein verbieten würde. Diese drei Organisationen wittern bei den Verträgen mit der EU einen inakzeptablen Verlust an Souveränität und Selbstbestimmung. Mit prall gefüllten Kassen gehen sie dagegen vor.

In einem längeren Beitrag zeige ich heute, dass die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der WHO in Bezug auf Souveränität und Selbstbestimmung viel kritischer zu werten sind als die EU-Verträge. Der Artikel stützt sich auf ein Interview mit dem eingangs zitierten Rechtsanwalt Philipp Kruse. Er offenbart, mit welch fadenscheinigen Argumenten das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und insbesondere Direktorin Anne Lévy die IGV rechtfertigt und behauptet, diese würden nicht in die Schweizer Souveränität und Entscheidungsmechanismen eingreifen.

Kruse enthüllt erstmals in dieser Klarheit den Taschenspielertrick, der angewendet wird, um uns, das Parlament und die interessierten zivilgesellschaftlichen Gruppen davon abzuhalten, uns mit Kraft gegen die IGV zu stellen.

Die Anpassungen der IGV werden bereits am 19. September 2025 rechtskräftig, wenn sie die Schweiz nicht bis zum 17. Juli zurückweist. Das kann der Bundesrat tun, ohne das Parlament einzubeziehen. Die erste Parlamentskammer hat ihm dafür grünes Licht gegeben. Die zweite Parlamentskammer wird sich demnächst äußern – sie wartete das Ende der Vernehmlassungsfrist ab – das ist heute.

Wenn wir in der Schweiz die IGV noch stoppen wollen, dann müssen wir noch mehr tun. Ich selber habe mir in den letzten Monaten in dieser Sache bereits die Finger wundgeschrieben. Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser, können die entsprechende Petition unterstützen oder in ihrem Umfeld dafür werben.

Noch wichtiger wäre aber, dass wenigstens in den letzten Monaten vor Ablauf der Frist die mächtigen Parteien und Organisationen SVP, Pro Schweiz und die Initianten der Kompassinitiative ihre Muskeln spielen lassen und sich gegen die IGV engagieren. Sie haben tiefe Taschen. Sie wissen, wie man sich bei Bundesrat und Parlament Gehör verschafft. Sie können helfen, das Blatt zu wenden, damit der Bundesrat die erneuerten IGV zurückweist und sie dann später, wenn er das will, in eine referendumsfähige Vorlage gießt.

Tun sie das nicht, dann muss der Verdacht aufkommen, dass sie sich, das gilt vor allem für die Kompassinitiative, vor allem aus Eigennutz gegen die EU-Verträge stellen.

Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen!
Daniel Funk