«Wir wollen das Mädchen auf diesem Bild nicht sehen. Wenn wir sie sehen, werden wir uns schuldig fühlen. Wir wollen uns nicht schuldig fühlen, weil der 7. Oktober uns passiert ist, nicht ihnen. Und wir sind nicht bereit, dieses Gefühl loszulassen, selbst wenn wir in seinem Namen Tausende von Kindern töten.»
So beginnt ein kurzer, emotionaler Leitartikel von Haaretz unter einem Bild eines Palästinensers im Gazastreifen, der ein totes Mädchen in den Armen hält. Die israelische Tageszeitung weist darauf hin, dass die israelische Luftwaffe am Dienstag letzter Woche neun Kinder im Alter zwischen drei und 14 Jahren getötet hat.
Zwei Luftangriffe im Abstand von wenigen Stunden hätten eine Schule im Flüchtlingslager al-Bureij im Zentrum des Gazastreifens getroffen, in der vertriebene Palästinenser untergebracht gewesen seien. Das israelische Militär habe erklärte, dass es sich bei dem Ziel um eine «Hamas-Kommandozentrale» gehandelt habe und dass «Maßnahmen ergriffen wurden, um das Risiko, unbeteiligte Zivilisten zu verletzen, zu mindern». Unabhängig davon, ob solche Schritte unternommen worden seien oder nicht,, so Haaretz, seien bei den Angriffen 32 Palästinenser getötet worden, darunter eben mindestens neun Kinder sowie vier Frauen.
Die Zeitung stellt fest, dass die sozialen Medien wieder voll von solchen Bildern und Videos gewesen seien: «Kinderleichen, Eltern, die ihre verletzten Kinder tragen, und andere, die sich von ihren toten Kindern verabschieden.» Haaretz schliesst mit einem emotionalen Appell:
«Die Bilder, vor denen wir unsere Augen abwenden, um nicht zu sehen, was wir getan haben. ‹Sie haben es sich selbst zuzuschreiben›, sagen wir uns und rechtfertigen weiterhin einen Krieg, der längst zu einem unkontrollierten Rachefeldzug geworden ist.
Die Israelis können weiterhin ihre Augen vor jeder Dokumentation abwenden, die sie mit dem Anblick des Mordens in Gaza konfrontiert. Die Medien können weiterhin ihre Pflicht vernachlässigen und die Israelis nicht darüber aufklären, was in ihrem Namen und mit Hilfe ihrer Kinder getan wird.
Wir können weiterhin die Zahl der getöteten Palästinenser im Streifen ignorieren – mehr als 52.000, darunter etwa 18.000 Kinder –, die Glaubwürdigkeit der Zahlen in Frage stellen, alle Mechanismen der Verdrängung, der Verleugnung, der Apathie, der Distanzierung, der Normalisierung und der Rechtfertigung anwenden. Nichts davon wird etwas an der bitteren Tatsache ändern: Israel hat sie getötet. Unsere Hände haben das getan.
Wir dürfen unsere Augen nicht abwenden. Wir müssen aufwachen und laut aufschreien: Stoppt den Krieg.»
Derweil verstärkt sich auch in der Bevölkerung der Widerstand gegen diesen Krieg. So haben in den letzten Wochen beispielsweise Tausende von israelischen Reservisten und ehemalige Soldaten Briefe unterzeichnet, in denen sie die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu auffordern, die Kämpfe einzustellen und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, eine Einigung über die Freilassung der restlichen 59 von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu erzielen (wir berichteten).
Dies geschah vor dem Hintergrund, dass die israelische Armee (IDF) vor der erweiterten Offensive im Gazastreifen Tausende von Reservisten einberufen hat.
Selbst US-Präsident Donald Trump rufe nun zur Beendigung diesen «brutalen» Krieges auf. «Endlich», findet Haaretz, und fragt: «Wird Netanjahu zuhören?»
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