Vor 26 Jahren wurde aus Christian Brönimann Nadia Brönimann – und sie zur bekanntesten trans Frau der Schweiz. Sie war in der Schweizer Öffentlichkeit außerordentlich präsent und engagierte sich leidenschaftlich für die Belange der trans Community. Doch nun, mit 55 Jahren, zieht sie Bilanz: Die Geschlechtsanpassung hat ihr nicht das ersehnte Glück gebracht. Mehr noch, sie fühlt sich zunehmend eingeengt in ihrer weiblichen Rolle, wie die Schweizer Medien letzte Woche kurz meldeten. Der Wunsch, wieder zu ihrem alten Ich zurückzukehren, wird immer lauter. Nun gewährte sie den Tamedia-Zeitungen ein ausführliches Interview.
Zu Beginn der letzten Woche postete Nadia Brönimann auf Instagram ein Foto von sich mit kurzen Haaren, versehen mit dem Hashtag «detrans». Es war ein symbolischer Akt – ein erster Schritt auf einem neuen Weg, der vielleicht wieder zurück zu ihrem männlichen Namen Christian führen könnte. Für die trans Community, für die sie sich jahrelang eingesetzt hatte, ist das ein Affront. Nadia Brönimann wird nun als Verräterin wahrgenommen, ihre Worte und ihre neue Reise werden mit Schweigen quittiert. Trotz der überwältigend positiven Reaktionen aus ihrem Umfeld bleibt die Enttäuschung der trans Community groß und die Toleranz für diesen Schritt gering.
«Ich kam mit meiner Anpassung nie bei mir selbst an, sondern flüchtete in ein weiteres Lebensextrem, in einen anderen Körper»,
reflektiert Brönimann und beschreibt damit den schmerzhaften Weg, den sie seit ihrer Geschlechtsumwandlung gegangen ist. Sie habe sich in einem Korsett aus Rollenerwartungen und einem scheinbar perfekten weiblichen Erscheinungsbild gefangen gefühlt. Doch die Erkenntnis, dass dies nicht zu ihrem wahren Selbst führte, kam spät und nach vielen Opfern.
Ob sie den Namen Christian wieder offiziell annimmt oder sich hormonell umstellt, weiß sie noch nicht. Klar ist jedoch, dass sie nicht mehr bereit ist, ihre Weiblichkeit als starren Rahmen zu akzeptieren.
«Ich möchte wieder Ja sagen zu Christian, den ich jahrelang verdrängt habe»,
sagt sie. Es sei ein bittersüßer Rückblick auf die vielen Operationen und die Nebenwirkungen der langjährigen Hormonersatztherapie.
Brönimanns Entschluss, über ihren Detransition-Wunsch öffentlich zu sprechen, hat die trans Community erschüttert. Doch sie bleibt entschlossen: «Ich will, dass über diesen Aspekt genauso ehrlich und offen gesprochen wird wie über alles andere.» Mit ihrer Instagram-Seite «detrans_schweiz» hat sie eine Plattform geschaffen, auf der Betroffene Gehör finden und Unterstützung suchen können – eine Lücke, die bisher niemand füllen wollte.
Während in anderen Ländern inzwischen eine kritischere Auseinandersetzung mit der medizinischen Geschlechtsanpassung, insbesondere bei Jugendlichen, stattfindet, sieht Brönimann in der Schweiz wenig Bewegung. Der lange Weg der Selbstakzeptanz und das Aufzeigen möglicher Konsequenzen sei entscheidend, bevor irreversible Entscheidungen getroffen werden.
«Ich kämpfe dafür, dass die trans Community auch Menschen wie mich akzeptiert – für mehr Ehrlichkeit und weniger dogmatisches Denken»,
fasst sie ihre Mission zusammen. Nadia Brönimann blickt mit einer neu gewonnenen Klarheit in die Zukunft. Ihr Weg zurück zu sich selbst mag kontrovers sein, doch er ist Ausdruck ihres Wunsches nach innerer Freiheit und wahrer Selbstakzeptanz.
Wir haben hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier über dieses Thema berichtet.
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