«Die Leiche dieses kleinen Mädchens war so stark verbrannt, dass forensische Archäologen mehr als sechs Wochen brauchten, um sie zu identifizieren», erklärte das israelische Aussenministerium auf seinem offiziellen X-Konto am 24. November. Alles, was von der 12-jährigen Liel Hetzroni bleibe, seien «Asche und Knochensplitter. Möge ihr Andenken ein Segen sein».
The Grayzone weist mit Bezug auf Electronic Intifada darauf hin: Aviva Klompas, eine ehemalige Redenschreiberin für Israels UN-Mission und «eine der besten englischsprachigen Propagandistinnen des Landes in den sozialen Medien», behauptete auf X:
«Die Terroristen haben alle [Hetzronis] massakriert und dann das Gebäude in Brand gesetzt.»
Und Naftali Bennett, ehemaliger israelischer Ministerpräsident, verkündete:
«Liel Hetzroni vom Kibbutz Be’eri wurde in ihrem Haus von Hamas-Monstern ermordet (...) Wir führen den gerechtesten Krieg: um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passieren kann.»
Liel gehört zu den Zivilsten, die während des Hamas-Angriffs auf das Kibbutz Be’eri auf der Stelle getötet wurden, wie auch ihr Zwillingsbruder, ihre Grosstante und mehrere andere Bewohner. Die 12-Jährige wurde jedoch anscheinend nicht von der Hamas ermordet. Nach den jüngsten Aussagen einer israelischen Augenzeugin wurde das Mädchen, zusammen mit mehreren Nachbarn, durch israelische Panzergranaten getötet.
Wir hatten bereits berichtet, dass die israelischen Streitkräfte selbst für den Tod einiger der eigenen Zivilisten verantwortlich sind, auch von solchen aus dem Kibbutz Be’eri. Unter anderem kam dies durch die Aussagen der israelischen Überlebenden Yasmin Porat ans Licht. Sie hatte an dem Trance-Festival an der Grenze zu Gaza teilgenommen und den Hamas-Angriff am 7. Oktober im Kibuz Be’eri überlebt. Das hatte sie am 15. Oktober gegenüber einem israelischen Radiosender mitgeteilt. Sie hatte betont, dass die palästinensischen Kämpfer sie «nicht misshandelt», sondern «sehr menschlich behandelt» hätten.
The Grayzone und Electronic Intifada weisen nun auf ein weiteres Interview mit Porat vom 15. November hin, das sie dem Rundfunksender Kan News gab. Darin offenbarte Porat weitere exklusive Details über die Geiselnahme, welche der offiziellen Darstellung ihrer Regierung stark widersprechen.
Gemäss Porat schickten die bewaffneten Hamas-Männer Geiseln aus dem Haus und riefen die israelische Polizei an, offenbar in dem Versuch, ihren eigenen Abzug auszuhandeln. Dies sei in der irrigen Annahme geschehen, von israelischen Truppen umzingelt zu sein, die in Wirklichkeit zu diesem Zeitpunkt weitgehend abwesend gewesen seien und sich in einem verwirrten Zustand befunden hätten.
Als die israelischen Spezialeinheiten schliesslich vor Ort eintrafen, kam es laut Porat zu einem «Waffenstillstand» zwischen der Hamas und den israelischen Streitkräften. Ihr eigener Entführer habe beschlossen, sich zu ergeben. Um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten, habe er sich nackt ausgezogen und sie als menschliches Schutzschild benutzt, während er sich auf die israelischen Soldaten zubewegt habe.
Nachdem Porat befreit worden war und ihr Entführer sich ergeben hatte, blieben nach ihren Angaben 14 Israelis als Geiseln zurück, die von 39 Hamas-Kämpfern bewacht worden seien. Unter den Zurückgebliebenen seien die Zwillinge Liel und Yanai Hetzroni sowie deren Grosstante und Betreuerin Ayala Hetzroni gewesen. Porat erinnerte sich:
«Ich sass mit dem Kommandeur der Einheit zusammen und ich beschrieb ihm, wie das Haus aussieht, wo die Terroristen und wo die Geiseln sind. Ich habe es sogar für ihn gezeichnet.»
Weiter teilte Porat mit, sie habe dem israelischen Kommandanten gesagt, die Zwillinge Yanai und Liel Hatzroni zwar «irgendwo in der Nähe der Küche» gehört, sie jedoch nicht gesehen zu haben.
Die Soldaten hätten nicht geglaubt, dass sich so viele Kämpfer in einem einzigen Haus aufhalten könnten, oder dass eine so grosse Truppe die Hightech-Belagerungsmauern, die Israel um den Gazastreifen errichtet hatte, hätte durchdringen können, sagte Porat. Sie unterstrich damit laut The Grayzone die mangelhaften israelischen Geheimdienstinformationen, welche die Hamas-Operation vom 7. Oktober ermöglichten.
Um 16 Uhr begann Porat zufolge ein Feuergefecht zwischen den Militanten im Haus und den auf der anderen Strassenseite stationierten israelischen Spezialkräften. Nachdem es den Israelis nicht gelungen sei, die Hamas-Kämpfer zu vertreiben, hätten sie um 19:30 Uhr einen Panzer angefordert.
Die Überlebende beschrieb ein Gefühl der Panik, als sie den Panzer in die kleine Gemeinde rollen sah. Sie habe einen der Sicherheitskräfte gefragt, warum sie mit Panzergranaten in ihr Haus schiessen würden. Man wolle damit die Mauern einreissen, um das Haus zu säubern, sei die Antwort gewesen.
Gemäss Porat befanden sich in und vor dem Haus ihr Partner Tal, ein weiterer Mann und das Ehepaar, dem das Haus gehörte, Adi und Hadas Dagan. Auch die 12-jährigen Zwillinge Liel und Yanai Hatsroni und ihre Grosstante seien dabei gewesen. Als sich der Staub verzogen hatte, sei nur noch Hadas Dagan am Leben gewesen. Porat erklärte, Dagan habe ihr später erzählt:
«Yasmin, als die beiden grossen Knalle einschlugen, hatte ich das Gefühl, durch die Luft zu fliegen (...) Ich brauchte zwei bis drei Minuten, um meine Augen zu öffnen, ich spürte meinen Körper nicht. Ich war völlig gelähmt. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass mein Adi [Dagan] im Sterben lag (...) Dein Tal hat sich zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr bewegt.»
Dagan habe gegenüber Porat bestätigt, dass die Panzergranaten Liel Hatsroni getötet haben:
«Das Mädchen hat all die Stunden nicht aufgehört zu schreien. Sie hörte nicht auf zu schreien (...), [aber] als diese beiden Granaten einschlugen, hörte [Liel] auf zu schreien. Dann herrschte Stille.»
Dagan habe auch betont, dass keine der Geiseln von den Hamas-Kämpfern absichtlich getötet worden sei. Es habe zumindest unter den Leuten, die bei ihr waren, keine Exekutionen oder etwas Ähnliches gegeben. Porat resümierte:
«Was können Sie also daraus mitnehmen? Dass nach diesem sehr massiven Vorfall, der Schiesserei, die mit zwei Granaten endete, so ziemlich jeder gestorben ist.» Alles, was die Israelis zurückliessen, so Porat, war «ein Haus voller Leichen».
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