Transition News: Sie haben ein Buch über den «Krieg gegen das Bargeld» geschrieben. Wer führt diesen Krieg?
Hakon von Holst: Einflussreiche Akteure, die ein Interesse an digitalen Zahlungen besitzen. Man findet ihre Vertreter in der Politik und in der Finanzwirtschaft. In ihrem Versuch, Banknoten und Münzen als Zahlungsmittel zu verdrängen, sprachen einige von ihnen wortwörtlich von einem Krieg gegen das Bargeld. Der Buchtitel ist also ein Zitat und nicht irgendeine Übertreibung. Ich lege in dem Buch dar, wie die Feldherren aus dem Anti-Bargeld-Lager vorgehen und wie sie versuchen, uns auf den Weg in eine bargeldlose Welt zu bringen.
Hakon von Holst am 3. Juni im Berliner «Sprechsaal» (Foto: Tilo Gräser)
Bargeld ist eine Errungenschaft in der Entwicklung der Menschheit hin zu komplexen Gesellschaftsformen. Warum wird es mithilfe von massiven Werbekampagnen, wie sie derzeit in Deutschland und auch in der Schweiz laufen, für unnütz erklärt?
Die Entwicklung hin zu einer komplexen Gesellschaft mit Arbeitsteilung ist auch eine Entwicklung hin in eine immer größere Abhängigkeit von unseren Mitmenschen. «Mitmenschen» ist jetzt nett gesagt, aber in der Praxis sind es große Konzerne, die aus unserer Abhängigkeit Profit schlagen und die uns gerne noch tiefer in der Abhängigkeit sähen. Der seinerzeitige Paypal-Chef Dan Schulman sagte: «Der größte Konkurrent, den wir haben, ist die Nutzung von Bargeld.» Paypal bietet Handyzahlungen an und will neuerdings an den Ladenkassen in Deutschland mitverdienen. Darum lesen wir überall an U-Bahn-Stationen und Haltestellen anonyme Botschaften wie «Bargeld kann das nicht» oder «Cash ist nicht mehr King».
Sie haben gemeinsam mit Hansjörg Stützle eine Petition für die Beibehaltung des Bargeldes gestartet. Warum plädieren Sie für das Bargeld?
Wir gehen arbeiten und bekommen Geld dafür. Davon können wir uns etwas zu essen kaufen. Wenn Banknoten und Münzen Vergangenheit sind, können wir unser Geld, das uns überleben lässt, nicht einmal mehr in den eigenen Händen halten. Es reicht ein Knopfdruck, eine technische Panne oder eine Betrugsfalle, dann stehen wir mit leeren Händen da.
Über Bargeld ließe sich noch viel sagen, aber klar ist: Alle seine guten Eigenschaften gehen verloren, wenn wir nicht mehr problemlos bar bezahlen können. Darum fordern wir die europäische Politik auf, sicherzustellen, dass die Akzeptanz von Bargeld an der Ladenkasse, auf Behörden und im Nah- und Fernverkehr gewahrt bleibt. Aber auch, dass es in jeder Gemeinde ab 1000 Einwohnern eine Bargeldquelle gibt.
Wie ist die Reaktion auf Ihre Petition?
Fast 200.000 Menschen haben sich bislang dem Anliegen angeschlossen, darunter Prominente wie der ehemalige Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler. Mein Mitstreiter Hansjörg Stützle wurde in der Folge von vielen freien Medien interviewt, aber auch von der Stuttgarter Zeitung. Er kam im MDR-Fernsehen zu Wort und später in der ARD-Sendung Plusminus. Dieser Beitrag griff etwas auf, was wir mit unserer Petition anklagen: Die rechtliche Benachteiligung des Bargelds gegenüber dem geplanten digitalen Euro. Diese Tatsache blieb in den großen Medien bis zuletzt völlig unbelichtet. Wir wollen das ändern, damit die Politik in Zugzwang gerät und beweisen muss, dass sie das Bargeld tatsächlich als Zahlungsmittel erhalten will. Die ARD-Sendung wurde von der Politik registriert, aber das reicht noch nicht aus. Die Bewegung muss weiter wachsen.
In der politisch verursachten Corona-Krise wurde den Menschen erklärt, Bargeld übertrage Viren und deshalb sollten sie digital zahlen, mit Karte oder Handy. Sie haben diese Behauptungen hinterfragt. Was haben Sie herausgefunden? Wie gefährlich ist Bargeld für die Gesundheit?
Die Bundesbank trat schon am 17. März 2020 vor die Kamera: Ein Infektiologe erklärte, warum von Bargeld keine besondere Gefahr ausgehe. Die Bankenwirtschaft sah das anders. Sie kooperierte mit Discountern und versorgte den gesamten Einzelhandel mit Werbematerial. Die Botschaft war: Zahlen Sie den Mitarbeitern an der Ladenkasse zuliebe hygienisch mit Karte. Ein Jahr später feierte sich die Bankenbranche, weil die Karte eine Milliarde mal öfter gezückt wurde.
Die Europäische Zentralbank hat sich übrigens gar nicht eingeschaltet. Erst im Sommer 2021 veröffentlichte sie eine Studie, ohne in einer Presseerklärung darauf hinzuweisen. Es zeigte sich, was von Anfang an klar war: Von Bargeld geht kein Risiko aus. Im Übrigen übertragen sich bei Berührung nur sehr wenige Mikroben von Banknoten, ganz anders als bei vielen anderen Gegenständen. Münzen sind von Natur aus antimikrobiell.
Was soll das Bargeld ersetzen? Welche Rolle spielen dabei digitale Währungen wie Bitcoin oder der digitale Euro?
Der Bitcoin besitzt keine politische Unterstützung. Der geplante staatliche digitale Euro aber eine sehr große. Sie ist größer als die für das Bargeld. Der Digital-Euro ist kein Vermögensaufbewahrungsmittel. Wir sollen unser Geld weiterhin den Banken leihen. Aber man will dafür sorgen, dass wir in nahezu jeder Situation digitales staatliches Geld nutzen können: im Online-Handel, an der Ladenkasse und bei direkter Begegnung zwischen Freunden von Handy zu Handy, selbst wenn das Internet streikt. Für Privatleute wäre das kostenlos, aber bei den Unternehmen dürfen die Banken zulangen, denn sie stellen die Schnittstelle für den Digital-Euro bereit.
Die Gefahr ist, dass die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld weiterhin sinkt, während sie beim digitalen Euro universell gegeben ist, weil die geplante EU-Verordnung das so vorschreibt. Es kann doch nicht sein, dass die Banken rechtlich gesehen weiterhin kein Geldautomatennetz betreiben müssen, während sie ihren Kunden zwingend ermöglichen müssen, in digitalen Euros zu bezahlen! So verdrängt man das Bargeld, anstatt es, wie man behauptet, zu ergänzen.
Wie hoch ist der Anteil des Bargeldes am heutigen Zahlungsverkehr noch?
Das Handelsforschungsinstitut EHI beobachtet die Entwicklung seit Jahrzehnten. Demnach wurden 2024 noch 55 Prozent der Zahlungen im stationären Einzelhandel mit Münzen und Geldscheinen getätigt. Je nachdem, in welchen Laden man kommt, sieht die Lage aber ganz anders aus.
Beim Einkauf im Supermarkt sehe ich die überwiegende Mehrheit mit Karte oder Handy bezahlen oder die Selbstbedienungskassen benutzen. Führt die Bequemlichkeit zur Abschaffung des Bargeldes?
Ich finde es einzig und allein bequem, mit Bargeld zu bezahlen. Aber Sie haben recht: Wenn immer weniger Kunden bar bezahlen, beginnen sich Ladenketten zu überlegen, wie lange sie noch zwei Zahlungssysteme parallel anbieten wollen, also das digitale und das analoge. Denn Bargeld verursacht betriebswirtschaftlich gesehen zunehmende Kosten. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Banken ihre Zweigstellen schließen. Zwischen 2017 und 2023 verschwand jede dritte Filiale in der Bundesrepublik. Der Handelsverband Deutschland warnt, der Bargeldkreislauf drohe zusammenzubrechen, wenn das nicht gestoppt wird. Irgendwo muss man ja hin mit seinen Bargeldeinnahmen. In den Niederlanden wird wenig bar bezahlt. Dort lehnen jetzt 21 Prozent der Apotheken Bargeld ab.
Andererseits werden Menschen gezwungen, bargeldlos zu zahlen, so in immer mehr Nahverkehrssystemen. Wie kann ich mich dagegen wehren?
Sie können zum Beispiel dem Bundesverband der Verbraucherzentralen alle Fälle von Bargeldablehnung mitteilen, am besten detailliert. Dafür gibt es bereits ein eigenes Formular. Das hilft dem Verband, in Berlin auf den Schutz des Bargelds hinzuwirken.
Norbert Häring warnt vor der Abschaffung des Bargeldes als Weg in die totale Kontrolle. Die entsprechenden Gesetze auf dem Weg in diese Richtung kommen mit dem Argument, dass die Finanzkriminalität oder gar Terrorismus bekämpft werden müsse. In Frankreich wurde mit Letzterem ein Gesetz begründet, wonach man dort nur noch Beträge von höchstens 1000 Euro in bar begleichen darf. Was ist an den Erklärungen dran?
Das Gesetz kam unter dem Eindruck der Terror-Ereignisse in Paris. Aber es ist ein Schuss ins eigene Knie. Waffen und Sprengstoffe sind ohnehin nicht frei verkäuflich. In einer Welt ohne Bargeld könnten Terroristen dann einen weit größeren Schaden anrichten. Wir verlieren ja unsere Resilienz, wenn ein Hackerangriff genügt, den Austausch in der Gesellschaft lahmzulegen.
Ein anderes Argument ist, dass mit der Abschaffung des Bargelds verhindert werden kann, dass zu viel Geld gespart und zu wenig ausgegeben wird. Was halten Sie davon?
Es gibt genügend andere politische Werkzeuge, den Konsum anzukurbeln. Aber warum sollte man das tun? Soll sich das Rad etwa noch schneller drehen? Ich finde, wir bräuchten alle etwas Ruhe, um unsere individuellen und gesellschaftlichen Entscheidungen besser zu durchdenken.
Wie schätzen Sie die gesellschaftliche Stimmung ein? Laut Norbert Häring haben sich die Deutschen in Umfragen noch vor wenigen Jahren mehrheitlich für das Bargeld ausgesprochen. Ähnliches wurde aus Österreich berichtet. Ist das immer noch so?
Der größte Teil der Gesellschaft will zumindest die Möglichkeit behalten, mit Bargeld zu bezahlen. Leider fehlt es am Bewusstsein, dass man seine Freiheit auch nutzen muss, um sie zu bewahren.
Skandinavische Länder wie Schweden und Norwegen wollten bargeldlose Gesellschaften werden und kamen von diesem Ziel wieder ab. So will Schweden Berichten nach seine Bürger wieder anregen, häufiger Bargeld zu benutzen. Was steckt dahinter?
Ob man die Bevölkerung dazu anregen will, weiß ich nicht. Aber in Schweden sieht ein fortgeschrittener Gesetzesentwurf vor, dass die Banken für 99 Prozent der Bevölkerung eine Möglichkeit schaffen müssen, innerhalb von 25 Kilometern Bargeld einzuzahlen oder sich auszahlen zu lassen. Auch sollen Lebensmittelläden und Apotheken wieder Bargeld annehmen. In diesem Bereich war die Akzeptanz von Bargeld auf etwa 85 Prozent gesunken. Schweden geht einen ersten Schritt. Norwegen ist letztes Jahr weiter gegangen und hat alle Ladenbetreiber bei Strafe zur Akzeptanz von Bargeld verpflichtet.
Wie realistisch ist eine bargeldlose Gesellschaft?
Die absolute Beseitigung des Bargelds erscheint mir nicht sehr realistisch. Aber es ist möglich, dass Barzahlungen irgendwann nur noch in lebensnotwendigen Bereichen erlaubt sind, womit der Nutzen des Bargelds weitgehend eliminiert wäre.
Es gibt den Kompromissvorschlag, auf kleine Cent-Münzen zu verzichten. Was halten Sie davon?
Dann sollte man im Gegenzug den 500-Euro-Schein wieder einführen und eine 1000-Euro-Banknote ausgeben. Das wäre auch mit Blick auf die Inflation angebracht.
Wer gewinnt den «Krieg gegen das Bargeld»? Wie können sich Menschen an seiner Verteidigung beteiligen?
Die Kampagnen der Finanz- und Digitalkonzerne verlieren ihre Kraft, wenn es uns gelingt, die Vorzüge von Bargeld mit dem Bild einer guten Zukunft für alle Menschen zu verknüpfen. Es ist wichtig, an der Ladenkasse mit Bargeld zu bezahlen, und es wichtig, mit seinen Mitmenschen zu sprechen, damit sie spüren und verstehen, welche Bedeutung Banknoten und Münzen besitzen und in welcher Gefahr sich dieses wichtige Zahlungsmittel befindet. Mein Buch «Krieg gegen das Bargeld» ist mein Beitrag zur Aufklärung. Das Buch kann schon jetzt in allen Buchhandlungen oder im Internet vorbestellt werden und erscheint am 30. Juni 2025.
Buchtipp:
Hakon von Holst: «Krieg gegen das Bargeld. Warum wir Münzen und Geldscheine für unsere Freiheit benötigen»
Hintergrund Verlag Berlin 2025. 80 Seiten; ISBN 978-3-910568-21-1; Preis 10,90 Euro
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