Die Administration des amtierenden US-Präsidenten Joseph Biden versucht seit Jahren, Russland in seiner Interessenssphäre zu schwächen. Das geschieht aktuell erneut in Ländern wie Georgien, Armenien, Rumänien, Moldau und Syrien, wo versucht wird, diese Länder zu destabilisieren.
Das erklärte der ehemalige ungarische Diplomat und frühere Botschafter seines Landes in Moldau, György Varga, in einem Gespräch. Er war außerdem von 2017 bis 2021 Leiter der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Russland.
Varga sieht den Umsturz in Syrien nach dem langen Krieg seit 2011 als Teil dieser US-Strategie. Er erinnerte daran, dass laut dem ehemaligen US-General Wesley Clark die USA bereits 2001 planten, innerhalb von fünf Jahren sieben Staaten im Nahen Osten zu zerstören.
In einem entsprechenden Memo seien Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran genannt worden, berichtete Clark 2007. Nur beim Zeitplan scheinen sich die US-Strategen geirrt zu haben.
Wenn es den USA nun gelänge, dass Russland die beiden Stützpunkte in Syrien in Tartus (Marine) und Khmeimim (Luftstreitkräfte) verliert, wäre das ein «sehr großer Verlust» für Moskau, so Varga. Bisher gibt es Berichten zufolge keinerlei Angriffe durch die siegreichen Islamisten auf die russischen Stützpunkte. Deren Sicherheit sei bisher gewährleistet, heißt es.
Der Ex-Diplomat sieht aber auch einige Vorteile für Russland in Folge der Ereignisse. Es könne nun die in Syrien stationierten militärischen Kräfte in der Ukraine zum Einsatz bringen. Andererseits würden die siegreichen Islamisten in Syrien bisher die russischen Stützpunkte nicht gefährden, wie Informationen belegen.
«Wahrscheinlich wissen sie, welche Kräfte Russland hat und einsetzen könnte, wenn sie die Basen angreifen», so Varga. Die Islamisten würden so auch ihr Überleben sichern und ihre Existenz nicht aufs Spiel setzen, schätzt der Diplomat ein.
Aus seiner Sicht ist unklar, wer Syrien in der Zukunft kontrolliert und regiert und welche Rolle die Großmächte dabei spielen. Israel wäre dazu ebenso in der Lage wie die Türkei oder die USA.
«Aber wir können nicht ausschließen, dass ein Chaos herrscht und es einen neuen Bürgerkrieg gibt.»
Aus kurzfristiger Perspektive handele es sich um einen Prestigeverlust für Russland, mit Syrien einen Verbündeten zu verlieren. Es sei aber ein positiver Schritt und ein Erfolg für Russlands Präsident Wladimir Putin gewesen, das Leben von Präsident Bashar al-Assad zu schützen und ihn nach Moskau zu bringen.
Aus Vargas Sicht möchte die russische Führung Abstand zu dem Verlust Syriens halten, nachdem sie versuchte, zu helfen, was Berichten zufolge aber von Damaskus abgelehnt wurde. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow habe bereits erklärt, dass die russische Armee nicht anstatt der syrischen Armee gegen die «Rebellen» kämpfen kann.
Moskau versuche, in Distanz zu den negativen Konsequenzen der Situation zu bleiben. Angesprochen auf die Rolle Chinas, das von vielen eigentlich auch als Unterstützer Syriens gesehen wurde, sagte der ungarische Ex-Diplomat: «China ist wie immer sehr vorsichtig.»
Syrien sei nicht unter den wichtigsten Zielen Pekings im Nahen Osten gewesen. Zudem habe China nicht so viele Instrumente, um Einfluss auf die Lage auszuüben.
«Ohne konkrete Instrumente und ohne konkrete Interessen ist China wirtschaftlich, politisch und geopolitisch von diesem Problem entfernt.»
Anders sehe das im Zusammenhang mit Afrika aus, aber auch mit dem Iran und dem Irak sowie dem dortigen Erdöl.
Zu den großen Gewinnern des Umsturzes in Syrien scheint Israel zu gehören, das nicht nur die Hamas besiegt und die Hisbollah im Libanon sowie den Iran geschwächt hat, wie Experten einschätzen. Nun setzt es auch im Nachbarland seine Interessen mit allen militärischen Mitteln durch und bombardiert massiv die syrische Militär- und Wirtschafsinfrastruktur, ohne auch nur ansatzweise auf Widerstand zu stoßen.
Auch Varga sieht Israel neben der Türkei und den USA als die großen Gewinner des Umsturzes in Syrien. Für Israel handele es sich um einen Durchbruch in der Region, auch im Gaza-Konflikt. Für die Palästinenser gebe es nun kaum noch Unterstützung von außen.
«Israel hat durch den Sturz Assads in Syrien die Mehrheit seiner Probleme gelöst.»
Es habe dadurch den Iran geschwächt und dessen Anwesenheit und Einfluss in Syrien beseitigt. Teheran könne nicht mehr der Hisbollah im Libanon helfen. Die Hisbollah könne nicht die Hamas im Gaza-Streifen unterstützen. Die Verbindung zwischen dem Iran und den Milizen im Libanon und in Palästina sei zerstört worden.
Der Iran sei der größte Verlierer der Vorgänge, neben dem Libanon. Israel werde vermutlich das entstandene Vakuum in der Region ausfüllen, während der Iran sich aus Syrien zurückziehen werde, so Varga. Es sei möglich, dass die israelische Führung diese Lage ausnutzen wird.
Israel bombardiere seit Tagen syrisches Gebiet, wie schon zuvor, vor allem industrielle und militärische Anlagen, administrative und politische Zentren. «Alles, was man zerstören kann, zerstört Israel», stellte der ehemalige Botschafter fest und warnte, dass es dabei überziehe.
Er verwies darauf, dass die syrischen «Rebellen» erklärten, sie wollten die Golan-Höhen zurückerobern. Die wurden dieser Tage vollständig von der israelischen Armee eingenommen. Deshalb werde Israel alles zerstören, um den «Rebellen» dieses Ziel «auszutreiben».
Syrien werde von Israel aus südlicher Richtung und von der Türkei aus der nördlichen Richtung angegriffen. Es sei unklar, wie die «Rebellen» unter der Führung der islamistischen HTS das verhindern könnten.
Das sei auch wichtig für die Frage, wie der syrische Staat in Zukunft aussehen kann. Es werde von einem Zeitraum von anderthalb Jahren bis zu den nächsten Wahlen in dem Land gesprochen.
«Anderthalb Jahre unter diesen Verhältnissen, wo Israel bombardiert, die Türkei die türkischen Gebiete angreift und die USA die von ihnen besetzten Gebiete nicht zurückgeben werden – das hat negative Folgen.»
Varga bezeichnete die Euphorie in westlichen Staaten über den Sturz Assads als «heuchlerisch». Hinter dieser Euphorie gebe es keine Absichten, Syrien zu normalisieren und als einen Staat zu einigen sowie dabei zu helfen.
Der ehemalige Diplomat wies auf die Transformation in der westlichen Politik und Öffentlichkeit bezüglich der «Rebellen» hin: Erst waren sie Dschihadisten und Terroristen, dann «Rebellen» und nun «Opposition» und politische Kräfte. «Es hängt immer von dem jeweiligen Interesse ab», stellte er klar.
Heute werde euphorisch von der Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihr Land gesprochen, aber ohne, dass es konkrete Hinweise und Schritte gebe, wie das geschehen kann. Es gebe nur politische Euphorie und Schuldzuweisungen an Russland und den Iran. Für den Zusammenbruch in Syriern sei nicht die «Diktatur von Assad» die Ursache Nummer 1.
«Die Sanktionen des Westens sind die Ursache, warum ein Regime diktatorisch regieren muss, wenn die Ressourcen knapp sind.»
Varga verwies dabei auf den Beitrag des Rechtswissenschaftlers Reinhard Merkel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 2. August 2013, in dem dieser erklärte, warum der Westen schuldig an der Katastrophe in Syrien sei. Darin sei beschrieben worden, wie das 2011 begonnen hat.
«Heute, nach 13 Jahren, sind wir nicht in einer besseren Lage. Wir haben ein Land zerstört, bombardiert, beseitigt. Und heute haben wir schlechtere Bedingungen für den Neuaufbau des syrischen Staates als vor 13 Jahren. Es gibt nur Verluste.»
Die Frage, warum das gemacht wurde, werde durch den Sturz Assads heute beantwortet.
geändert: 15.12.24; 19:09 Uhr
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