Ich kann gar nicht so viel fressen,
wie ich kotzen möchte.
Max Liebermann 1933
Liebe Leserinnen und Leser
Es hat einen Eklat gegeben, melden mir die Medien in Deutschland. Und der Botschafter Russlands, Sergej Netschajew, hat diesen verursacht, heißt es.
Was hat er getan? Hat er etwa ganz undiplomatisch auf deutschem Boden gegen die Menschen in dem Nachbarland Russlands, der Ukraine, gehetzt und sich etwa der Volksverhetzung nach deutschem Recht strafbar gemacht?
Das sollte ja ein Diplomat tunlichst vermeiden, dass er gegen Gesetze seines Gastlandes verstößt. Denn er soll Diplomatie ermöglichen, im Gespräch bleiben, auch dann, wenn es schwierig ist. Handelt er dem zuwider, verbreitet er gar Hass und Hetze, kann er zur persona non grata erklärt werden und muss das Gastland verlassen.
Nein, das hat Sergej Netschajew nicht getan. Er hat angeblich einen «Eklat» ausgelöst, weil er am 16. April an der Gedenkstätte für die bei der Schlacht bei Seelow vor 80 Jahren gefallenen sowjetischen Soldaten – Russen, Ukrainer, Kasachen und aus allen anderen einstigen Sowjetrepubliken – einen Kranz zum Gedenken niederlegte.
Das war nicht erwünscht, wie zuvor das Auswärtige Amt in einer «Handreichung» für deutsche Verwaltungsbehörden von Land bis Kommune erklärte. «In der Handreichung wird Landkreisen und Kommunen empfohlen, keine Einladungen an russische oder belarussische Diplomaten auszusprechen – und notfalls sogar ungebetene Gäste wieder wegzuschicken», berichtete darüber die Berliner Zeitung.
Und: «Sollten sich trotz ausdrücklicher Nichteinladung Vertreter der unerwünschten Staaten einfinden, können die Veranstalter die Besucher an Ort und Stelle vor die Tür setzen. Das Ministerium spricht zwar von ‹Augenmaß›, doch in der Praxis bedeutet dies: Ein einfacher Sicherheitsdienst könnte ranghohe Diplomaten dieser Länder des Gedenkortes verweisen, an dem zum 80. Mal um deren gefallene Soldaten getrauert wird.»
Inzwischen erklärte der Deutsche Bundestag offizielle Vertreter Russlands und von Belarus als unerwünscht bei Gedenkveranstaltungen. Und ein westdeutscher Historiker, der eine ostdeutsche KZ-Gedenkstätte verwaltet, will der russischen Botschafter gar vom Sicherheitsdienst rausschmeißen lassen, sollte er das Gelände des KZ zum Gedenken betreten.
Dafür hat ein anderer Diplomat für einen tatsächlichen Eklat gesorgt, der von bundesdeutschen Medien nicht wahrgenommen oder ignoriert wurde: der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev. Er hat etwas gemacht, was durchaus als «Volksverhetzung» und Schüren von Hass und hetze gesehen werden kann.
Er hat das am 10. April in einer «Rede zur Freiheit» in einer Veranstaltung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin getan, in der es um die Frage ging «Was ist Freiheit?» Und hat in dem Zusammenhang unter anderem gesagt «Fragt man einen Russen, wird er die Frage nicht verstehen. Stattdessen wird er unbedingt versuchen, Sie zu ‹befreien›.»?
Makeiev hat außerdem gesagt «Die Russen haben viele Flugzeuge. Die Russen waren sogar im Weltall. Aber ich glaube, die Russen können weder fliegen noch träumen. Weil sie keine Flügel haben. Weil sie nicht frei sein können.»?
Und er hat behauptet, dass die Russen auf die Frage nach der Freiheit immer wieder mit der bewussten Wahl der Sklaverei antworten. Außerdem hat er erklärt: «Was die Russen gut können, ist hassen. Vernichtungswille ist ihre zentrale Motivation.»
Ein weiteres Zitat des ukrainischen Botschafters: «Man braucht den Russen nicht zu sagen: ‹Schau nicht hoch›. Die wissen sowieso nicht, dass es da oben einen Himmel gibt. Für sie gibt es da oben nur ihren Ortskommandanten. Und irgendwo ganz oben gibt es Putin.»
Und hat er hinzugefügt: «Die Russen träumen nicht.» Und hat er in aller Öffentlichkeit mit faschistischen deutschen Konzentrationslagern verglichen, wie die russischen Truppen mit ukrainischen Gefangenen, umgehen.
Und so weiter und so fort. Dafür bekam der Botschafter der Ukraine Beifall von seinen vermeintlich liberalen Zuhörern und kein deutsches etabliertes Medium hat über den tatsächlichen Eklat berichtet, wie er hetzte.
Nach dem § 130 des bundesdeutschen Strafgesetzbuches erfüllt den Straftatbestand der «Volksverhetzung» unter anderem,
«wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet …»
Entscheiden Sie selbst, ob die Aussagen des ukrainischen Botschafters diesem Straftatbestand mindestens nahekommen. Aber Diplomaten sind ja «immun». Bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil über diesen Menschen, der inzwischen fordert, die Teilnahme seines russischen Amtskollegen an Gedenkveranstaltungen in Deutschland zu verbieten.
Mir fällt zur Rede von Makeiev und dem Verhalten bundesdeutscher Behörden gegenüber Diplomaten aus Russland und Belarus die zitierte Aussage des Malers Max Liebermann ein, die er am Abend des 30. Januar 1933 getätigt haben soll. Das war, nachdem die deutschen Faschisten von ihren Förderern an die Macht gehievt wurden und das mit einem Fackelzug durch das Brandenburger Tor «feierten».
Lassen wir uns gemeinsam nicht von den Wellen des Hasses wegspülen, die andre auslösen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende und viel Vergnügen und Wissensgewinn mit den Texten auf Transition News! Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen und drücken Sie, falls Sie es noch nicht getan haben, den Spendenknopf!
Herzliche Grüße
Tilo Gräser
***********************
Herzlichen Dank an alle, die Transition News treu unterstützen und damit unsere Arbeit und Unabhängigkeit erst ermöglichen!
