Viele Zeilen
sind ohne Freude geschrieben
und was ich sage in ihnen
das sage ich ungern
Aber ich sage es doch
denn es muß gesagt sein
unverschleiert
bitter vom Staub des Unrechts
Erich Fried in «Trockene Gedichte»
Liebe Leserinnen und Leser
Wie ich schon am Samstag schrieb, fällt es mir derzeit schwer, in dieser eigentlich besinnlichen Advents- und Weihnachtszeit besinnliche Worte zu finden. Das hält an, denn diese Zeiten sind so, dass sie eher besinnungslos machen, als dass sie den Menschen erlauben, wirklich zur Besinnung zu kommen.
Es sind nicht nur einfach «die Zeiten», sondern es sind von Menschen gemachte und verursachte Ereignisse. Dazu gehören vor allem, aber nicht nur die Kriege und Bombenabwürfe, von denen wir hören, und die anscheinend nicht enden sollen, geht es nach denen, die daran verdienen.
Und kaum haben wir uns, weil wir eben Menschen sind, an den einen Schrecken und das Entsetzen darüber gewöhnt, wird uns ein neuer Krieg gemeldet. Und wir schauen und hören hin – wenn wir uns nicht gleich abwenden, weil wir es nicht mehr hören und sehen können –, und laufen Gefahr zu vergessen, was wir zuvor sahen und hörten.
Ich denke dabei auch konkret an das, was derzeit in Syrien geschieht und anscheinend selbst viele außenpolitische Experten überraschte. Nicht nur das System, das mit dem Namen Assad verbunden ist, ist zusammengebrochen, sondern das gesamte Land als souveräner Staat – was sich insbesondere daran zeigt, dass die Türkei, die USA und vor allem Israel nun ungehindert dort Krieg führen, Bomben werfen und das Land weiter zerstören.
Für Israels Führung kommt das gelegen, da es die Weltöffentlichkeit zugleich ablenkt von dem fortgesetzten Völkermord an den Palästinensern und deren Vertreibung im Gaza-Streifen und längst auch im Westjordanland. Der brasilianische Journalist Pebe Escobar mahnte kürzlich, die Palästinenser, deren Leiden und deren Kampf nicht zu vergessen, ebenso nicht das Verbrechen der Führung Israels an ihnen.
Dem schließe ich mich an und deshalb möchte ich an dieser Stelle einmal mehr ein Gedicht von Erich Fried (1921–1988) zitieren, der Zeit seines Lebens als Jude die zionistische Politik gegen die Palästinenser kritisierte. In seinem 1974 erstmals veröffentlichten und 1983 neuaufgelegtem Gedicht-Band «Höre, Israel!» habe ich folgende bis heute aktuelle Zeilen gefunden:
Ein Jude an die Zionisten
Freut euch erstens, daß eure Toten so tot sind,
denn sonst könnten sie euch laut sagen, was sie von euch halten
ihr zu Mörder gewordenen Söhne der Opfer unserer Mörder
die ihr euch verbündet mit Mördern gegen eurer Mordopfer Kinder
Und freut euch, daß die Mörder unserer Eltern
die Herzen der Welt so gewöhnt haben an das Morden
daß die Herren der halben Welt heute eueren Morden und Lügen
wohlwollend zusehen können und kaum zum Schein protestieren
Und freut euch, daß euer eigener Martin Buber schon tot ist
denn der hat noch knapp vor seinem Tode gesagt
daß ihr nicht die Jünger der alten jüdischen Weisheit
nein, nur die Schüler von Hitler geworden seid
Und freut euch auch, daß es keinen Bert Brecht mehr gibt
denn was der euch gesungen hätte zu eurem Unrecht
das würde der Welt und euch noch lang in den Ohren klingen
ja, länger als eure Unrechtherrschaft noch währt
Aber freut euch rasch, denn eure Freude wird kurzlebig sein
wie die Freuden anderer Tyrannen und Mörder
und dann werden Palästinenser und Juden in Frieden zusammenleben
und werden Gott danken, daß es keinen Zionismus mehr gibt
(Quelle: Erich Fried: «Höre, Israel!» Neue und erw. Auflage, Syndikat Verlag 1983, S. 150.)
Ob es eine Zeit geben wird und kann, in der Palästinenser und Juden jemals in Frieden zusammenleben können, ist nicht nur fraglich, weil die derzeit herrschenden Zionisten die verbliebenen Palästinenser ganz vertreiben wollen. Es ist auch fraglich angesichts des Leides, das die derzeitige Führung Israels im Gaza-Streifen und im Westjordanland anrichtet und anrichten lässt, bis heute ungestraft und unterstützt von ihren Helfershelfern im Westen.
Aber lassen wir die Worte Erich Frieds, vor mehr als 40 Jahren geschrieben, wirken, weil sie heute noch richtig und wahr sind. Und wir von Transition News werden weiter nicht wegschauen und schweigen, zu dem, was da geschieht und nicht zu enden scheint.
Das gilt auch für alle anderen Konflikte und Verbrechen der Herrschenden, wie unsere Beiträge zeigen. Aber ebenso werden wir weiter von dem berichten und auf das aufmerksam machen, was auch in diesen Zeiten Hoffnung gibt, dass nicht alles bleibt wie es ist, weil es nicht so bleiben kann.
Herzliche Grüße
Tilo Gräser