Die Regierung Israels sieht sich derzeit besonders scharfer Kritik ausgesetzt insbesondere ob ihres Vorgehens gegen die Palästinenser. Der israelisch-deutsche Soziologe und Philosoph Moshe Zuckermann etwa spricht in einem bei TN veröffentlichten Interview von einem fortgesetzten israelischen Vernichtungsfeldzug und meint gar, «Israel wollte nie Frieden».
Kritik an Israel wird derweil mitunter schnell als antisemitisch abgekanzelt. Nach einem gewalttätigen Vorfall in Boulder (Colorado) zum Beispiel, bei dem ein Angreifer namens Mohammed Sabry Soliman, ein ägyptischer Staatsbürger, «Free Palestine» gerufen und Molotow-Cocktails auf Teilnehmer einer Versammlung für israelische Geiseln geworfen haben soll, präsentierte der republikanische Abgeordnete Gabe Evans im Juni eine nicht bindende Resolution. Ihr zufolge soll «Free Palestine» ausdrücklich zu einem antisemitischen Slogan deklariert werden.
Doch so schrecklich und verurteilungswürdig die Attacke auf die Demonstranten, so absurd erscheint es, einen Slogan wie «Free Palestine» grundsätzlich als antisemitisch abzukanzeln. Denn freilich hegen nicht all diejenigen, die sich für die Rechte der geschundenen Palästinenser stark machen, antisemitische Gefühle oder Gedanken.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu scheren derlei Gedanken nicht. Er ging sogar so weit und tönte, die Parole «Free Palestine» sei «die heutige Version von ‹Heil Hitler›»:
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Netanjahus Äußerung ist Ausdruck dafür, wie sehr der Terminus «Antisemitismus» mittlerweile zu einem Kampfbegriff mutiert ist. Mit ihm will man wohlgemerkt nicht nur Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung, deren Armee und rechtsradikaler Israelis gegenüber den Palästinensern diskreditieren. Auch geschah dies in Bezug auf die Kritiker der Corona-Politik, die ein Lied davon singen können, vorschnell in die rechtsradikale Ecke katapultiert worden zu sein.
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Nicht jeder Antisemitismus-Vorwurf scheint aber an den Haaren herbeigezogen. Beispiel Harvard. «Je mehr über Harvard ans Licht kommt, desto schlimmer sieht es für die Elite-Uni aus», schrieb etwa Robert Malone, seit kurzem Mitglied im Impfberatungsausschuss der CDC und einst Postdoktorand an der 1636 gegründeten und damit ältesten Universität der USA.
Zwar kann das Vorgehen der Trump-Administration gegen israelkritische Studenten als zum Teil völlig überzogen bezeichnet werden. Und sicherlich hat Trump eine klare Schlagseite in Richtung Netanjahu. Doch so eng Trump mit Netanjahu verbandelt ist, so sehr deuten Berichte darauf hin, dass an der Elite-Universität Harvard jüdische und israelische Studierende tatsächlich mitunter keine Atmosphäre vorfanden, die als angstfrei bezeichnet werden könnte (TN berichtete).
So hatte sogar der Spiegel geschrieben, dass «sechs jüdische Studierende Anfang 2024 eine Klage gegen Harvard eingereicht hatten, in der sie der Universität vorwarfen, antisemitische Belästigungen und Diskriminierungen zu tolerieren und nicht angemessen darauf zu reagieren». In der Klage wurde Harvard als eine «Bastion des grassierenden antijüdischen Hasses und der Belästigung» bezeichnet.
Auch ergab eine Untersuchung durch eine von Harvard eingesetzte Task Force, dass 26 Prozent der befragten jüdischen Studierenden angegeben haben, sich auf dem Campus physisch unsicher zu fühlen. Viele berichteten von sozialer Ausgrenzung und Feindseligkeit, insbesondere wenn sie sich nicht öffentlich von Israel distanzierten. Einige Studierende hätten angegeben, dass ihnen geraten worden sei, persönliche Geschichten über ihre Familiengeschichte zu ändern, um politische Kontroversen zu vermeiden. Und sogar das Harvard Magazine machte darauf aufmerksam, dass «es antisemitische Schikanen bereits vor dem 7. Oktober gab».
Jetzt hat das Bürgerrechtsbüro – das Office for Civil Rights (OCR) – der von von Robert F. Kennedy Jr. geleiteten US-Gesundheitsbehörde HHS festgestellt, dass die Harvard-Universität gegen das Bundesgesetz über Bürgerrechte verstößt. In einer Pressemitteilung dazu heißt es:
«Die Harvard-Universität hat gegen Titel VI verstoßen, indem sie seit dem 7. Oktober 2023 mit bewusster Gleichgültigkeit gegenüber der Belästigung jüdischer und israelischer Studenten durch andere Studenten und Lehrkräfte gehandelt hat. Teil dieses feindlichen Umfelds sind belästigende Äußerungen, Drohungen und Einschüchterungen gegenüber jüdischen und israelischen Studenten, einschließlich Aufrufen zu Völkermord und Mord
In den Feststellungen des OCR wird auch ausführlich auf physische Einschüchterung und Gewalt zwischen Schülern eingegangen. Dieses feindselige Umfeld verwehrte und verwehrt den Schülern grundlegende Bildungschancen.»
Just the News erwähnt in diesem Zusammenhang, dass die Joint Task Force to Combat Anti-Semitism, der das HHS, das Bildungs- und das Justizministerium sowie die General Services Administration angehören, Harvard-Präsident Alan Garber am Montag in einem Brief über die Ergebnisse der Untersuchung informiert habe. Darin heißt es unter anderem:
«Die Mehrheit der jüdischen Studenten berichtete von negativen Vorurteilen oder Diskriminierung auf dem Campus, während ein Viertel sich körperlich unsicher fühlte. Jüdische und israelische Studenten wurden angegriffen und bespuckt; sie versteckten ihre Kippahs aus Angst vor Belästigung und verbargen ihre jüdische Identität vor Mitschülern aus Angst vor Ausgrenzung.»
Zu seinem Ergebnis sei man gekommen, so das HHS, auf Basis von Informationen und Dokumenten, die im Rahmen verschiedener Untersuchungen eingeholt wurden, darunter der Harvard-internen Task Force zur Bekämpfung von Antisemitismus und anti-israelischer Voreingenommenheit, einer Arbeitsgruppe des US-Kongresses, die Antisemitismus auf dem College-Campus untersuchte, sowie «verlässlichen Medienberichten, die zeitgleich antisemitische Vorfälle von Vandalismus, Belästigung und physischer Gewalt über einen Zeitraum von 19 Monaten in Harvard schilderten».
In der Pressemitteilung wird dazu Paula M. Stannard, Direktorin des Büros für Bürgerrechte beim HHS, wie folgt zitiert:
«Die öffentlichen Versprechen von Harvard, den disziplinarischen Rahmen für Belästigung und Fehlverhalten zu verbessern, sind unzureichend, um diese schwerwiegenden Befunde sinnvoll anzugehen. Das HHS ist bereit, erneut produktive Gespräche mit Harvard zu führen, um eine Lösung für die Korrekturmaßnahmen zu finden, die Harvard ergreifen kann, um die Verstöße zu beheben und seine Verpflichtungen nach Titel VI zu erfüllen.»
Laut Just the News entgegnete Harvard-Sprecher Jason A. Newton am Montag, die Universität «hat substanzielle, proaktive Schritte unternommen, um die Ursachen des Antisemitismus zu bekämpfen» und habe der Verwaltung in einer Erklärung Einzelheiten über diese Bemühungen mitgeteilt. Newton weiter:
«Harvard ist in dieser Angelegenheit keineswegs gleichgültig und stimmt mit den Feststellungen der Regierung keineswegs überein. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass die Mitglieder unserer jüdischen und israelischen Gemeinschaft in Harvard willkommen sind, respektiert werden und sich entfalten können.»