Die israelischen Streitkräfte (IDF) verwandeln Teile des Gazastreifens rasch in militarisierte Zonen und errichten eine umfangreiche Infrastruktur, die auf eine längere Präsenz hindeuten. Laut der israelischen Zeitung Haaretz werden nun Gebiete, in denen zuvor Wohnviertel waren, geräumt und durch militärische Einrichtungen, befestigte Straßen und logistische Knotenpunkte ersetzt.
Zu den wichtigsten Beispielen gehören demnach der Netzarim-Korridor und der Philadelphi-Korridor. Ersterer teilt den Gazastreifen zwischen Nord und Süd auf. Wo früher Gebäude waren, sei jetzt es eine fünf bis sechs Kilometer breite und neun Kilometer lange Wüste. Das Gebiet sei in eine große militärische Enklave mit breiten Straßen und dauerhaften Außenposten umgewandelt worden. Die IDF würden derzeit daran arbeiten, diese Zone noch weiter auszudehnen.
Der umstrittene Philadelphi-Korridor befindet sich hingegen zwischen der ägyptischen Grenze und dem Gazastreifen. Dabei handelt es sich um eine 14 km lange Sicherheitszone, die 1967 von Israel nach dem Sechstagekrieg eingerichtet und im Rahmen der Oslo-Abkommen legitimiert wurde. Als sich Israel 2005 aus dem Gazastreifen zurückzog, ging die Kontrolle an Ägypten über, bis sie Israel im Mai 2024 mit dem Einmarsch in die Grenzstadt Rafah zurückgewann.
Entlang diesem zuvor ein paar Hundert Meter breiten Korridor habe die IDF nun eine bis zu drei Kilometer breite Fläche eingeebnet, um die operative Kontrolle zu gewährleisten, so Haaretz. Die politische Führung wolle einen zusätzlichen Kilometer, aber laut Militärkreisen seien vier Kilometer in einigen Gebieten nicht realisierbar, da dies die Zerstörung ganzer Stadtteile in Rafah bedeuten würde. Das würde wahrscheinlich die internationale Gemeinschaft, die die derzeitige Situation bereits als problematisch ansehe, verärgern.
Der Zeitung zufolge haben die IDF auch eine mindestens einen Kilometer breite Pufferzone entlang der gesamten Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel geschaffen, um die Gefahr von Angriffen zu verringern. Ganze Nachbarschaften seien dafür zerstört worden.
Die Militäroperationen der IDF würden auf die Vertreibung der Zivilbevölkerung und die Zerstörung der städtischen Infrastruktur abzielen. So seien im nördlichen Gazastreifen, wo einst über 500.000 Palästinenser lebten, weniger als 20.000 Einwohner übrig geblieben. Quellen aus dem Militär hätten betont, die IDF seien im Norden des Gazastreifens derzeit verpflichtet, Dörfer und Städte von ihren Bewohnern zu räumen. Diese Maßnahmen würden angeblich dem Schutz der Streitkräfte vor versteckten Bedrohungen dienen, sie würden aber die Gebiete für die Bewohner unbewohnbar machen.
Ein Offizier, der Ende des Sommers in einem Außenposten in der Nähe des Netzarim-Korridors diente, erklärte gegenüber Haaretz, seine Einheit hätte in «verstärkten Containern mit Steckdosen, Klimaanlagen und allem Drum und Dran» geschlafen. Sogar eine Synagoge sei «hereingebracht» worden. Man habe das Gefühl, dass es sich um eine weitere Front im Grenzgebiet zum Gazastreifen oder im Westjordanland handele und nicht um eine vorübergehende Einrichtung in einer Gefahrenzone, so der Offizier.
Haaretz ergänzt, diese Entwicklungen seien Teil eines umfassenderen Plans, der mindestens vier große Zonen im Gazastreifen vorsehe, deren Infrastruktur die dauerhafte Präsenz der Truppen unterstütze.
Inmitten dieser militärischen Expansion haben sich der Zeitung zufolge einige Palästinenser dazu entschlossen, trotz der Zerstörungen und Gefahren im nördlichen Gazastreifen zu bleiben. Sie würden die Ungewissheit der beschädigten Häuser einer Vertreibung in unbekannte Gebiete vorziehen. In der Zwischenzeit setzten die IDF-Operationen die Vertreibung der Bewohner durch Artilleriebeschuss und die Zerstörung von Wohnvierteln in der Nähe strategischer Routen fort. Ein Offizier einer der Brigaden, die im Gazastreifen kämpfen, offenbarte:
«So wie es vor Ort aussieht, werden die IDF den Gazastreifen nicht vor 2026 verlassen. Wenn man die Straßen sieht, die hier geteert werden, ist es klar, dass dies nicht für Bodenmanöver oder für Angriffe der Truppen auf verschiedene Orte gedacht ist. Diese Straßen führen unter anderem zu den Orten, aus denen einige der Siedlungen geräumt wurden. Ich weiß nichts von der Absicht, sie wieder aufzubauen, das wird uns auch nicht ausdrücklich gesagt. Aber jeder versteht, wohin das führt.»
Jüdische Siedler ermuntert all das, langfristig zu denken: Sie planen bereits, sich permanent im Gazastreifen niederzulassen (wir berichteten hier und hier). Zu ihnen gehören auch Regierungsmitglieder wie der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und der Finanzminister Bezalel Smotrich.
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