Aus dem Westen wehe der Geruch brennender Häuser herein, beschreibt Paraic O’Brien von Channel 4 News die Lage nahe dem Gazastreifen. Von der etwas erhöhten Stelle aus können die jüdischen Siedler, die sich dort versammelt haben, die Explosionen in der palästinensischen Enklave beobachten. An dieser Küste planen sie nämlich, jüdische Siedlungen zu gründen.
Die zweitägige Zusammenkunft von mehr als 100 rechtsextremen Israelis, mit Zelten und einer Bühne, fand vor einigen Tagen statt. Das Motto: «Rückkehr nach Gaza.» Channel 4 News war vor Ort und erstellte eine kurze Dokumentation. Eine Gruppe von Demonstranten, Freunde und Familienangehörige von Geiseln, die immer noch im Gazastreifen festgehalten werden, protestierten laut dem Sender in der Nähe gegen die Veranstaltung. Sie hätten über Politiker der Rechten geschimpft, die ihrer Meinung nach die Ereignisse des 7. Oktobers für politische Zwecke instrumentalisieren.
Der Siedler Aharon Gottlieb zeigt in der Reportage auf den Gazastreifen und erklärt gegenüber O’Brien:
«Dieses ganze Gebiet ist eine einzige große Terrorzelle. Es hat eine Infektion. Man muss die Infektion rausnehmen. (…) Dann wird es wieder sauber sein.»
Auf die Frage des Journalisten, welche Zukunft sich Gottlieb für die Palästinenser in Gaza wünsche, antwortet der Siedler:
«Ich denke, es gibt viele Länder, einschließlich Irland und England, die sie willkommen heißen würden.»
Massendeportationen würden in jedem anderen Krieg geschehen, auch in der Ukraine und in Russland, rechtfertigt Gottlieb seine Äußerung. O’Brien will daraufhin wissen, ob die Vorstellung von Massendeportationen und Säuberung der Wunden nicht gegen sein jüdisches Selbstverständnis verstossen angesichts der Geschichte seines Volkes. Mit Bezug auf den Hamas-Angriff des 7. Oktober 2023 macht Gottlieb klar:
«Nein, denn wenn das Böse so schlimm ist, muss man etwas dagegen tun.»
Die Siedlerin Hadar Pentaon hat sogar keine Bedenken, ihre sieben Kinder schon jetzt in das Kriegsgebiet zu bringen. Es würde ihnen nichts geschehen, ist sie überzeugt. Gott beschütze sie. «Ich glaube von ganzem Herzen, dass dies unser Auftrag ist».
Zugegen war auch die «Matriarchin der Siedlerbewegung» Daniella Weiss (wir berichteten hier, hier und hier). Sie erachtet die gegenwärtige Situation als «den Beginn einer neuen Ära». Es finde eine grosse Veränderung statt: Die Linke trete ihre Macht der Rechten ab, und diese werde sie behalten.
Diese fanatischen Siedler sind in der Tat keine unbedeutende Randgruppe. Schlüsselfiguren aus ihren Reihen bekleiden inzwischen wichtige Regierungspositionen. Dazu gehören der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und der Finanzminister, Bezalel Smotrich. Letzterer ist auch für den Siedlungsausbau im von Israel besetzten Westjordanland zuständig.
Smotrich und Ben-Gvir haben dann auch an der Konferenz nahe des Gazastreifens teilgenommen. Auf dem Weg zu der Veranstaltung erklärte der Finanzminister gegenüber der Times of Israel, dass der Streifen «Teil des Landes Israel» sei und dass «ohne Siedlungen keine Sicherheit» bestehe. Channel 4 News zufolge deuten einige zuverlässige Umfragen darauf hin, dass zwischen 25 Prozent und 40 Prozent der israelischen Bevölkerung eine Form der Ansiedlung innerhalb des Gazastreifens unterstützen.
May Golan, Ministerin für soziale Gleichberechtigung von Benjamin Netanjahus Likud-Partei, war bei der Zusammenkunft ebenfalls anwesend. Laut Channel 4 News möchte sie, dass alle Palästinenser den Gazastreifen verlassen. Der Frage, was mit denjenigen geschehen soll, die nicht gehen wollen, weicht sie aus und verkündet: «Wir tun und werden alles tun, was nötig ist, um das Leben unserer Bürger zu schützen.» Ben-Gvir ignoriert die Fragen des Journalisten hingegen völlig. Er sagt nur «das Volk Israels lebt» und gibt sich dem Feiern hin. O’Brien kommentiert abschließend:
«Die Musik, die über das Feld hallte, erreichte, von den Geräuschen von etwas ganz anderem übertönt, den nördlichen Gazastreifen wahrscheinlich nicht.»
Wie gnadenlos die jüdische Siedler im Westjordanland vorgehen, zeigt eine eindrückliche Dokumentation des türkischen Senders TRT World (wir berichteten). Am Schluss geht es darin um ein anderes Treffen messianischer Israelis am Rande des Gazastreifens. Ziel der geschlossenen Konferenz im September war es, die ersten jüdischen Familien auszuwählen, die sich in diesem Küstenstreifen niederlassen sollen.
Daniella Weiss war auch damals anwesend. Nach der Veranstaltung haben sich die ausgewählten Familien bei Dunkelheit auf eine Bootstour begeben, um die Bombardierung in Gaza und ihre erhoffte künftige Heimat zu betrachten. Weiss verkündete:
«Das Ziel der Siedlungsbewegung ist es, so nah wie möglich an Gaza heranzukommen, um Gaza genau zu beobachten und zu verstehen, dass Gaza von nun an vollständig jüdisch sein wird!»
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