Die Wahlen in den beiden früheren Sowjetrepubliken Moldawien und Georgien sind vorbei. Was haben die beiden Länder gemeinsam? Sie sind beide an den heutigen tektonischen Bruchlinien zwischen Ost und West gelegen. Während Moldawien seit einigen Jahren deutlich auf Westkurs ist, ergeben sich im Fall von Georgien Konflikte.
Ich habe hier ausführlich über Moldawien berichtet. Die prowestliche Präsidentin Maia Sandu hat nun die Stichwahl gewonnen und bleibt im Amt. In den hiesigen Medien wird berichtet, es habe massive russische Beeinflussungsversuche und Stimmenkauf zugunsten ihres Herausforderers Alexandr Stoianoglo gegeben. Die FAZ berichtet zwar darüber, dass die Diaspora Sandu gerettet hat, aber wie das ging, konnte man hier lesen.
Moldawien ist verarmt. Ein Drittel der Moldawier lebt im Ausland. Moldawien ist auch das «Land ohne Eltern», wo viele Kinder in der Heimat alleine leben, wobei ihnen die Eltern aus dem Ausland Geld schicken. Ungefähr die Hälfte der Moldawier lebt im Ausland und arbeitet im Westen und die andere Hälfte in Russland. Wer sie gewinnt, gewinnt die Wahl. Die Regierung richtete nun im Westen über 230 Wahllokale ein, während es im Osten nur zwei waren. So hat nun die Amtsinhaberin dank den Stimmen aus dem Westen knapp den Sieg davongetragen und kann weiterregieren.
Die ersten Amtszeit Sandus war wirtschaftspolitisch alles andere als erfolgreich. Die Preise schossen in die Höhe und die Inflation erreichte zum ersten Mal seit den Wirren der Ablösung von der Sowjetunion in den 90er Jahren 30 Prozent. Innerhalb der Regierung kam es zu Korruptionsskandalen. Das hat auch damit zu tun, dass sich Moldawien den Sanktionen gegen Russland anschloss, und so Absatzmärkte und billige Energieträgern verlor. Als einzigen Trumpf hat die Regierung den Status als EU-Beitrittskandidat vorzuweisen.
Der Oppositionskandidat wird in den westlichen Medien als prorussisch bezeichnet. Das ist verkürzt formuliert. Er ist zwar für die Weiterführung der Verhandlungen mit der EU, möchte aber gleichzeitig nicht komplett mit Russland brechen. In Moldawien heißt es: Fortsetzung folgt, denn Parlamentswahlen finden erst im kommenden Sommer statt.
Hier sind wir bei der geopolitisch wichtigen Frage: Lässt der Westen es zu, dass ein Land gleichzeitig seine Beziehungen zum Westen ausbaut, aber auch pragmatische Beziehungen zu Russland unterhält. Die Antwort auf diese Frage führt unter anderem nach Georgien.
Aber zunächst: eine eindeutige Antwort gibt es nicht – es kommt auf das spezifische Gewicht des Landes an, also was es geopolitisch zu seinen Gunsten in die Waagschale werfen kann. Die Türkei tanzt im Moment auf mehreren Hochzeiten. Seit dem Abkommen von Montreux von 1936 beherrscht Ankara die Meerengen und hat damit eine geopolitisch höchst wichtige Funktion. Jüngst haben die Türken gemeinsam mit dem verbündeten Aserbaidschan die armenische Enklave Bergkarabach erobert und deren Bewohner vertrieben – ohne dass dies Folgen hätte oder Sanktionen durch den «Wertewesten» nach sich ziehen würde. Der Westen ist auf die Energiedrehscheibe der Aseris angewiesen und nimmt in Kauf, dass die Türkei eine Serie von verbündeten turkstämmigen Ländern aufbaut, die von den Grenzen Chinas bis nach Europa reichen und das Mächtegleichgewicht entscheidend verändern.
Solche Trümpfe hat Serbien, das Russland ebenfalls nicht boykottiert, nicht im Ärmel. Belgrad muss deshalb in Kauf nehmen, dass es vom Westen abfällig behandelt wird. Ob Stoianoglos Vorschlag – mit Brüssel weiterverhandeln und mit Moskau nicht brechen – realistisch wäre oder ob die EU die Verhandlungen mit Moldawien sofort auf Eis legen würde?
So weit ist es im Moment in Georgien. Das Land hat seit Ende 2023 EU-Kandidatenstatus und die Visumspflicht mit der Schengenzone wurde vor einiger Zeit aufgehoben. Ich habe hier über die Wahlen im Kaukasusland berichtet. Die Regierungspartei Georgischer Traum, die das Land seit mehr als 10 Jahren einigermaßen umsichtig führt – wirtschaftlich hat das Land große Fortschritte gemacht –, befürwortet nach wie vor Beitrittsverhandlungen mit der EU. Allerdings weigert sich die Regierung, die westlichen Sanktionen gegen Russland mitzutragen, denn der Handel mit dem großen Nachbarn macht etwa 50% des Handelsvolumens aus.
In die Nase gestochen sind Brüssel zudem zwei Gesetze: das eine verbietet, dass Kinder in Kontakt zu LGBT-Propaganda kommen, das andere legt fest, dass ausländische NGOs ihre Finanzen offenlegen müssen.
Gegenwärtig trifft sich die Europäischen Politische Gemeinschaft, zu der neben den EU-Staaten weitere Länder gehören – darunter Georgien, Moldawien oder auch die Schweiz – in Budapest. Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Polen fordern in diesem Zusammenhang als Vorbedingung zur Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen von Georgien eine rasche Untersuchung der «Unregelmäßigkeiten» bei der Wahl von vor knapp zwei Wochen und die Aufhebung der beiden genannten Gesetze. Allerdings hat selbst die OSZE, die die Wahlbeobachter gestellt hatte, bestätigt, dass die Wahlen grundsätzlich frei und fair verliefen. Zusätzlich sind die Proteste der Opposition, die von der westlich orientierten Präsidentin Salome Surabischwili angeführt wurden, abgeflaut.
Auch in Budapest steht dabei der Elefant im Raum, das heißt die Frage: wird sich durch die Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten Donald Trump an der Alles-oder-nichts-Politik des Westens gegenüber Ländern wie Moldawien oder Georgien etwas ändern? Oder anders formuliert: wird sich die EU diese Politik noch leisten können?