Das grosse Staunen erfasste die Welt, als im September der kanadische Premierminister Justin Trudeau und der ukrainische Präsident Wolodomir Selenskyj im kanadischen Parlament einen Nazi aus dem Zweiten Weltkrieg ehrten.
Dabei handelt es sich um den rüstigen Rentner Jaroslaw Hunka, der in einer militärischen Formation des Dritten Reichs gekämpft hatte, die wegen Kriegsverbrechen angeklagt wurde. Es war die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS, dem militärischen Flügel der NSDAP, auch bekannt als 1. Galizien-Division.
Der Sprecher des kanadischen Repräsentantenhauses entschuldigte sich später für die Ehrung und bezeichnete sie als Versehen.
Aber handelt es sich wirklich um ein Versehen? Zweifel sind angebracht. Eine einfache Internetsuche zeigt, dass führende NATO-Politiker von ihrer Abstammung her über sehr direkte Verbindungen in die Ukraine verfügen.
Da ist zunächst die kanadische Finanzministerin und Vizepremierministerin Christya Freeland. Ihre Grosseltern mütterlicherseits stammten aus der Ukraine und flohen gegen Kriegsende vor der Roten Armee. Freeland selbst verfügt über einen Bachelor in russischer Geschichte und einen Master ist Slawistik. Sie war an der Herausgabe eines wissenschaftlichen Artikels über die Nazi-Vergangenheit ihres Grossvaters Michael Chomiak beteiligt. Dieser war 1939 vor den anrückenden Sowjettruppen aus dem damals noch polnischen Lemberg nach Krakau geflohen und arbeitete dann als nationalsozialistischer Propagandist.
In Kanada gibt es bis heute Statuen, die Mitglieder der 1. Galizien-Division ehren. Freeland hat sich dafür eingesetzt, dass diese Denkmäler stehenbleiben.
Die Grosseltern von US-Vize-Aussenministerin Victoria Nuland, Meyer und Viche Nudelman, lebten in Novoselitsa in der heutigen Ukraine. Das Gebiet der östlichen Bukowina gehörte bis zum Ersten Weltkrieg zu Russland, bevor es wie der Rest der Bukowina an Rumänien abgetreten wurde. 1940 wurde das Gebiet von der Sowjetunion erobert. Nuland spricht praktisch genau so gut Russisch wie Englisch.
Bei der Euromaidankrise in der Ukraine, den Ereignissen des Jahres 2014, die zum Sturz des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch führten, spielte sie eine besonders zwielichtige Rolle als amerikanische Strippenzieherin. Unvergesslich auch ihr «Fuck the EU» als Reaktion auf den «zögerlich-behutsamen Umgang der Europäischen Union mit dem um seine Macht kämpfenden Janukowitsch», wie es die Welt ausdrückte.
Über einen ähnlich ukrainischen Migrationshintergrund verfügt sogar US-Aussenminister Anthony Blinken. Er ist Sohn amerikanisch-jüdischer Eltern. Und sein Urgrossvater, Meir Blinken, der ein auf Jiddisch publizierender Schriftsteller war, stammte aus Kiew, also der Stadt, die damals zum Zarenreich gehörte und heute ukrainische Hauptstadt ist.
Inwiefern eine ablehnende oder Revanche-Haltung gegenüber Russland respektive der Sowjetunion seitens der NATO oder seiner Mitgliedsländer auf enge Verbindungen, auch verwandtschaftlicher Art, von führenden Politikern des Atlantischen Bündnisses in die Ukraine basiert, lässt sich naturgemäss nicht mit Gewissheit sagen.
Aber dass Parlament und Regierung in Kanada nicht gewusst haben, wer Hunka wirklich ist, klingt unglaubwürdig, zumal dieser auch in Blogbeiträgen vor nicht allzu langer Zeit kein Geheimnis aus seinem Kriegseinsatz für die berüchtigte 1. Galizien-Division gemacht hat.
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