«Wie gesund war die Schweiz 2022?» Mit dieser Frage hat sich Konstantin Beck, Gesundheitsökonom der Universität Luzern, in einer Videopräsentation beschäftigt. Hintergrund seiner Analyse sind Daten der Krankenkasse Helsana und Zahlen, die das Schweizer Bundesamt für Statistik (BfS) am 3. November 2023 zur Krankheitssituation in der Schweiz veröffentlichte. Diese offizielle «Gesundheitsbefragung» wird alle fünf Jahre durchgeführt, geniesst hohe Beachtung und ist Grundlage für wissenschaftliche Untersuchungen. Das BfS teilte mit:
«2022 fühlten sich 85 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren gesund und 83 Prozent glücklich. Gleichzeitig lebt mehr als ein Drittel mit einem dauerhaften Gesundheitsproblem. Die psychischen Belastungen sind gegenüber 2017 gestiegen. Besonders betroffen ist die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen, im Speziellen die jungen Frauen (…).»
Man müsse also davon ausgehen, dass sich die Schweizer Bevölkerung auch nach der Corona-Pandemie nach eigener Einschätzung einer überwiegend guten Gesundheit erfreue, kommentiert Beck.
Überraschend sei jedoch, dass das BfS zeitgleich eine Statistik in seiner Datenbank publiziert habe, die wenige Tage später wieder gelöscht wurde. Dabei handelte es sich um Detailangaben zur Gesundheitsbefragung der Bürger. Das BfS wollte wissen: «Haben Sie jemals in Ihrem Leben eine der folgenden Krankheiten oder gesundheitlichen Probleme gehabt?» In diesem Rahmen wurden Herzinfarkt, Hirnschlag und Krebs als Auswahlmöglichkeiten aufgeführt.
Das Ergebnis laut BfS: Im Jahr 2017 gaben 33’339 Personen an, einen Herzinfarkt gehabt zu haben, bei Hirnschlag waren es 27’584, bei Krebs 116’603. 2022 waren es bei Herzinfarkt dagegen 170’000, bei Hirnschlag 124’515 und bei Krebs 460’771. Somit gab es 2022 einen Anstieg bei den Herzinfarkten um 136’661 Fälle, bei Hirnschlag um 96’931 und bei Krebs um 344’166.
Screenshot: Gesundheitsbefragung des BfS
Der BfS-Statistik zufolge seien die Fälle 2022 also um den Faktor vier bis fünf gestiegen, errechnet Beck. Das sei dramatisch, selbst wenn man die Faktoren Alterung und Zuwanderung berücksichtige und von den Daten abziehe. Würden diese Zahlen stimmen, wären die Krebsversorgung und Herzinfrastruktur in der Schweiz am Anschlag beziehungsweise zusammengebrochen, so der Gesundheitsökonom.
Hat das BfS seine Statistik deshalb kurz nach Veröffentlichung zurückgezogen? Konkrete Angaben zu diesem Vorgehen machte das Amt auf seiner Website nicht, stattdessen gab es nur den Hinweis, «die Befragungen von 2017 und 2022 seien nicht vergleichbar». Beck dazu:
«Wenn man einen so heftigen Fehler hat, dann wäre es wünschenswert, dass der Fehler besser kommuniziert wird.»
Um das Wirrwarr zu klären, wurde eine Anfrage beim BfS gestellt. Das Amt erklärte daraufhin, dass man 2017 und 2022 eine andere Frage gestellt habe. 2017 wollte man wissen: «Haben Sie im letzten Jahr eine der folgenden Krankheiten und Gesundheitsprobleme gehabt?» 2022: «Haben Sie in Ihrem Leben jemals eine der folgenden Krankheiten und Gesundheitsprobleme gehabt?»
Das sei natürlich ein Riesenunterschied, betont Beck, so sei nachvollziehbar, dass die Zahlen aus dem Jahr 2022 massiv höher ausfielen. Nicht nachvollziehbar sei dagegen, warum man die Frage geändert und dadurch die Vergleichbarkeit torpediert habe. Das Bundesamt argumentierte diesbezüglich, dass die Signifikanz in vielen Unterauswertungen nicht gegeben war und man deshalb grössere Stichproben haben wollte.
Zwar seien das technisch überzeugende Argumente, sagt Beck, aber dieses Vorgehen trage nicht gerade dazu bei, das Vertrauen in das BfS zu stärken. Die Behörde müsse wissen, dass es sich um eine sehr heikle Frage handele, denn in diesen Zahlen könnten sich die negativen Auswirkungen der Corona-Impfungen widerspiegeln. Und wenn das Amt solche Daten erst publiziere und sie dann wieder lösche, mache das keinen guten Eindruck.
Bleiben offene Fragen: Warum wurde der offensichtlich falsche Vergleich publiziert? Warum verzichtete das Bundesamt auf eine ausführliche Fehlerkommunikation? Und warum steht die Medienmitteilung des BfS in so grossem Widerspruch zur Entwicklung bei den chronischen Krankheiten? Auffällig laut Beck: Das Bundesamt für Statistik erwähnte nicht, dass es in diesem Bereich einen Zuwachs gegeben hat.
Wie steht es tatsächlich um die Zu- oder Abnahme von Krebserkrankungen?
Um mehr darüber zu erfahren, konsultierte Beck eine private Quelle: den «Arzneimittelreport 2022» der Krankenkasse Helsana, der am 30. November 2023 veröffentlicht wurde. Darin wird angegeben, wie viele Personen jedes Jahr hochgerechnet auf die Schweiz Krebsmedikamente beziehen müssen.
Das Ergebnis: 2013 lag die Zahl bei 90’466 Personen, 2014 bei 104’522, 2015 bei 104’107 und 2016 bei 106’774. Ab 2017 gingen die Zahlen runter, 2019 pendelten sie sich auf 83’072 Personen ein. Im Pandemiejahr 2020 stieg die Zahl ein wenig – und 2021 und 2022 schnellte sie plötzlich auf 152’168 respektive 153’956 Personen hoch.
Screenshot: Daten des Arzneimittelreports der Krankenkasse Helsana
Beck stellt diese Ergebnisse grafisch dar:
Screenshot: Grafische Darstellung der Helsana-Daten; die braune Kurve zeigt die Schwankungen
Wenn man den Vergleich mache, den das Bundesamt in seiner gelöschten Gesundheitsbefragung ziehen wollte, also den zwischen den Jahren 2017 und 2022, dann belaufe sich der Anstieg der Personen, die 2022 Krebsmedikamente benötigten auf 94 Prozent, teilt Beck mit. Im Pandemiejahr 2020 lag die Zahl um neun Prozent höher – 2021 um 95 Prozent und 2022 um 106 Prozent.
«Wir haben eine Verdoppelung der Krebsfälle», konstatiert Beck. Zwar nicht um den Faktor fünf wie in der verzerrten Statistik des BfS, aber es handele sich um einen sehr hohen Wert. Deshalb stelle sich eine wichtige Frage: Könnte die Impfung die Ursache sein?
«Für die Impfung als Auslöser der Krebsfälle spricht das zeitliche Muster, denn der Anstieg beginnt im Jahr der Impfungen», so Beck.
Oder war womöglich die Corona-Erkrankung schuld? Dagegen spreche, dass es 2020 kaum einen Anstieg gegeben habe, urteilt der Gesundheitsökonom. So oder so käme die Impfung nicht gut weg, weil sie offensichtlich nicht fähig gewesen sei, schwere Verläufe zu verhindern, die zu Krebs führen.
Und könnte es noch einen dritten Faktor geben, der den schlagartigen und massiven Anstieg der Krebserkrankungen erklärt? Das könne man zwar nicht ausschliessen, meint Beck, allerdings wisse er nicht, welcher das sein könnte.
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