Wir haben bereits hier und hier die Entstehung dieses jahrhundertealten Konfliktes nachgezeichnet.
In Bergkarabach werden nach der kurzen Militäroperation Verhandlungen geführt, die von Russland überwacht werden. Tausende Menschen sind auf der Flucht, da die Situation in den von Kämpfen betroffenen Dörfern kritisch ist. Es gibt Stromausfälle und einem Mangel an Lebensmitteln.
Nach den Kämpfen haben Aserbaidschan und Armenien eine erste Verhandlungsrunde abgeschlossen, bei der Fragen zur Wiedereingliederung der armenischen Bevölkerung in Bergkarabach ins aserische Staatsgebiet besprochen wurden. Es gab Vorwürfe, dass Aserbaidschan die Waffenruhe bereits gebrochen habe, aber diese wurden von Baku zurückgewiesen.
Aserbaidschan hat mittlerweile die Enklave praktisch komplett erobert. Russische Soldaten, die in der Region stationiert waren, nahmen an den Verhandlungen teil, obwohl viele Armenier Russland vorwerfen, sie im Stich gelassen zu haben. Das ist nicht aus der Luft gegriffen, denn Russland hat sich in den letzten Jahren Aserbaidschan angenähert, da dieses Land als Drehscheibe für den Erdölexport nützlich ist.
Es wird sich noch erweisen, ob die Verhandlungen mehr sind als die Aushandlung der Kapitulationsbedingungen, ob es eine Zukunft für wenigstens einen Teil der armenischen Bevölkerung des Karabach gibt, oder ob, wie zum Beispiel in der aserischen Enklave Naschitschewan, die jahrtausendealte armenische Präsenz in der Region ausgelöscht wird. Die Aufhebung der aserbaidschanischen Blockade der einzigen Zufahrtsstrasse nach Bergkarabach wurde noch nicht besprochen, was nichts Gutes für die Armenier verheisst. Möglich ist auch ein jahrelanger Guerillakrieg der Karabach-Armenier.
Demonstranten in der armenischen Hauptstadt Eriwan werfen der Regierung nun Untätigkeit vor. Allerdings hat sie wohl die Situation richtig eingeschätzt. Die Armenier sind von der ganzen Welt im Stich gelassen worden.
Wir haben hier und hier dargelegt, warum die völkerrechtliche Situation nicht so ist, wie die Leitmedien schreiben, und dass das Recht auf armenischer Seite ist. Dem Alijew-Regime in Baku ist es gelungen, seine Sicht der Dinge den Grossmächten zu verkaufen. Westliche Vermittler, wie etwa der belgische EU-Ratspräsident, haben dabei als nützliche Idioten gedient. Wollen sie sich wieder ein klein wenig Glaubwürdigkeit erarbeiten, dann kommen sie jetzt um harte Sanktionen gegen Aserbaidschan nicht herum.
Dem Westen ist nicht nur eine selektive Anwendung des Völkerrechts vorzuwerfen – in der Ukraine beruft man sich darauf, betreffend Bergkarabach spielt es keine Rolle –, sondern auch extreme geostrategische Kurzsichtigkeit.
Alijew und sein Verbündeter, der türkische Präsident Erdogan, planen langfristig und setzen ihre Pläne konsequent um. Die Aseris haben nämlich in den letzten Monaten nicht nur Truppen in der ehemaligen Pufferzone rings um Bergkarabach konzentriert, sondern auch westlich und östlich des südlichen Armenien.
Ist das nur eine Drohkulisse? Der Plan könnte auch sein, Armenien von der gemeinsamen Grenze nach Iran zu vertreiben und gewaltsam eine Landbrücke von Aserbaidschan in die aserische Enklave Naachitschewan einzurichten. Dies wäre ein Vorhaben, mit dem Alijew schon länger liebäugelt. Damit würde die «neue Seidenstrasse», der Weg von Südeuropa nach China, vollständig in die Hände muslimischer und autokratischer Länder fallen.
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