Die Aufmerksamkeit von Tucker Carlsons Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war riesig. Auch Transition News befasste sich selbstverständlich mit dem Interview des US-Star-Moderators (hier, hier, hier, hier und hier). Die Mainstream-Medien übertrumpften sich gegenseitig mit diffamierenden Äusserungen, denn ihre Deutungshoheit wankt durch den Eklat des freien Journalisten noch mehr.
Im Rahmen seiner «Sworn Enemy Tour» («Erzfeinde-Tournee») beantwortete Carlson gestern beim «World Government Summit 2024» in Dubai die Fragen des ägyptischen Journalisten Emad Eldin Adeeb. Es war der erste öffentliche Auftritt des Moderators seit seinem Interview mit Putin. So war dieses denn auch eines der Themen, die in Dubai besprochen wurden. Ausserdem ging es um den Zustand der Medien, der Demokratie und der Wirtschaft in den Vereinigten Staaten.
Zu Beginn hob Carlson die Bedeutung seines Interviews mit dem Kreml-Chef und die Wichtigkeit der Redefreiheit hervor. Er erklärte, warum er mit dem russischen Präsidenten sprach:
«Ich habe drei Jahre lang versucht, dieses Interview zu führen. Die US-Regierung hat mich daran gehindert, indem sie meine Textnachrichten ausspionierte und sie der New York Times zuspielte. Und das hat die russische Regierung aufgeschreckt, so dass sie das Interview abgesagt hat. Ich habe also versucht, dieses Interview zu führen, aber die Geheimdienste meines Landes haben illegal gegen mich gearbeitet.
Das hat mich wütend gemacht, denn ich bin amerikanischer Staatsbürger, ich bin 54, ich zahle meine Steuern, ich halte mich an das Gesetz. Und in dem Amerika, in dem ich aufgewachsen bin, war nicht zu erwarten, dass meine Regierung und ihre Geheimdienste NSA und CIA, die sich immer nach aussen hin auf unsere ausländischen Feinde konzentriert haben, sich nach innen gegen amerikanische Bürger wenden würden. Und das hat mich schockiert und wütend gemacht.»
Carlson zufolge hat die US-Regierung zugegeben, dass sie das Interview verhindert hat. Daraufhin sei er «monomanisch entschlossen» gewesen, es zu führen:
«Nicht nur, weil ich wissen will, wie Wladimir Putin ist und was er über einen Krieg denkt, der die Welt umkrempelt und die Wirtschaft meines Landes wirklich ernsthaft schädigt, sondern auch, weil sie mir auf der Grundlage illegitimer Mittel und ohne wirklich klar dargelegte Rechtfertigung sagten, dass ich das nicht darf. Ich dachte: Das kann nicht sein. Ich möchte in dem freien Land leben, in dem ich geboren wurde, und ich werde alles mögliche tun, um die Gesellschaft, die ich liebe, zu erhalten.»
Der Moderator ging auch auf seine politischen Ansichten ein. Dabei betonte er den Wert der Wahrheit und die Notwendigkeit, dass sich Perspektiven auf der Grundlage von Beweisen entwickeln:
«Meine Ansichten ändern sich so schnell, wie sich die Welt selbst ändert.»
Donald Trump und die kommenden US-Präsidentschaftwahlen hätten keine Rolle gespielt bei seiner Entscheidung, mit Putin zu sprechen, machte Carlson klar. Klare Worte fand er aber auch über die US-Regierung:
«Die derzeitige Regierung ist ganz offensichtlich inkompetent und der Präsident ist senil.»
Nach einem Vergleich zwischen dem US-Präsidenten Joe Biden und Putin gefragt, antwortete der Journalist:
«Wäre dies ein Boxkampf, würde der Mediziner den Kampf abbrechen.»
Weiter zeigte sich Carlson besorgt über den Niedergang US-amerikanischer Städte:
«Radikalisierend, sehr schockierend und sehr beunruhigend war für mich die Stadt Moskau. (...) Sie ist so viel schöner als jede andere (sic) Stadt in meinem Land.»
Die Frage, ob Putin seiner Ansicht nach bereit sei, einen historischen Kompromiss zu schliessen – erstens in Bezug auf den Status der Welt, mit den USA, und zweitens in Bezug auf die Ukraine –, beantwortete Carlson ohne zu zögern mit: «Natürlich». Er erinnerte daran, dass der russische Präsident Bill Clinton gefragt hatte, sein Land der NATO beitreten zu lassen, was das Bündnis jedoch abgelehnt hatte.
Der US-Moderator kritisierte in diesem Zusammenhang die US-Aussenpolitik und das mangelnde Verständnis für die erreichbaren Ziele in Konflikten wie der Ukraine. Es fehle der gegenwärtigen US-Regierung an Geschichtskenntnis und Perspektive. Es gebe keinen Beweis dafür, dass Putin Polen überfallen wolle. Tatsächlich habe dieser kein Interesse daran.
Adeeb wiederum konfrontierte Carlson mit der Kritik, er sei nicht auf die russische Invasion in die Ukraine eingegangen. Der US-Moderator entgegnete, dass er dies in der ersten Frage getan habe, woraufhin Putin eine halbe Stunde lang über russische Geschichte gesprochen habe. Was die Motivation Russlands angeht, so beschrieb er seine Ansicht wie folgt:
«Ich habe beobachtet, wie die Vizepräsidentin der USA, Kamala Harris, an der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2022, nur wenige Tage vor dieser [russischen Invasion], auf einer Pressekonferenz dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj öffentlich sagte: ‹Wir wollen, dass ihr der NATO beitretet›, was ein Synonym ist für: ‹Wir planen, Atomwaffen an Russlands Grenze zu stationieren›. (…) (Damit) steuerst du auf einen Krieg zu, weil du weisst, dass das die rote Linie ist, denn Putin hat das gesagt – und jeder, der das Gebiet genau beobachtet, weiss das bereits.»
Bezüglich den Reaktionen zu seinem Putin-Interview sagte Carlson, er möge das Internet nicht, weshalb er viele gar nicht mitbekommen habe. Er wisse, dass er unter seinen Kollegen in den USA nicht besonders populär sei. Und er sei sicher nicht nach Russland gegangen, um Putin zu bewerben. Der Journalist erläuterte:
«Ich bin hingegangen, weil ich das Gefühl hatte, dass die meisten Amerikaner, in deren Namen das alles geschieht, nicht wirklich wissen, was passiert, und dass sie nichts über den Mann wissen, gegen den sie angeblich inoffiziell Krieg führen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es meine Aufgabe ist, (…) den Menschen Informationen zu geben, damit sie entscheiden können.»
Adeeb beanstandete auch, dass Carlson nicht mit Putin über den inhaftierten oppositionellen Alexei Nawalny gesprochen habe und auch nicht über Attentate und die Beschränkungen für die Opposition bei den kommenden Wahlen. Carlson entgegneet:
«Ich habe nicht über die Dinge gesprochen, über die alle anderen amerikanischen Medien ausschliesslich berichten, weil diese abgedeckt sind. Und weil ich mein Leben damit verbracht habe, mit Menschen zu sprechen, die verschiedene Länder leiten, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass jeder Leader Menschen tötet, auch meiner. (…) Einige töten mehr als andere. Leader müssen Menschen töten, sorry. Deshalb würde ich kein Leader sein wollen. Die Pressebeschränkung ist in den USA universell. Ich weiss es, weil ich es erlebt habe. In Russland gibt es mehr Zensur, aber auch in den USA gibt es viel davon.»
Der ägyptische Moderator wollte auch wissen, was Carlson von der Bemerkung Hillary Clintons über sein Putin-Interview halte. Die ehemalige US-Vize- und Möchtegern-Präsidentin hatte den US-Journalisten einen «nützlichen Idioten» genannt, was übrigens auch die Financial Times tat. Carlson meinte, er wisse nicht, was Clinton gesagt habe:
«Sie ist ein Kind, ich höre nicht auf sie. Wie geht es Libyen?»
Damit spielte Carlson darauf an, dass das Land, das wohlhabendste Afrikas war, während Clinton im Amt war, dann aber von den USA bombardiert wurde – mit dem Ergebnis, dass es sich heute in einem desolaten Zustand befindet und zersplittert ist. Bekanntlich hatte sich «Killary» über den grausamen Mord im Stile regelrechter Lynchjustiz am ehemaligen Regierungschef Muammar al-Gaddafi gefreut. Lachend sagte sie in diesem Zusammenhang den bekannten Spruch von Julius Caesars in leicht abgewandelter Form: «Wir kamen, wir sahen, er starb.»
Carlson erörterte dann die Bedeutung der Medien als Gegengewicht zur etablierten Macht und äussert sich besorgt über die Erosion der Demokratie in den USA:
«Die Medieninformation ist in einem freien Land ein Gegengewicht zur etablierten Macht, und zwar nicht nur zur Regierungsmacht, sondern auch zur Wirtschaftsmacht. In meinem Land ist sie verfassungsmässig so konzipiert, dass sie als Gegengewicht dazu dient. Wenn sich also Informationsquellen, Medienangebote mit der etablierten Macht zusammenschliessen, dann hat man eine machtlose Bevölkerung, und das ist totalitär. Und das ist sehr schnell die Richtung, in die die USA gehen. Und ich glaube, dass die Technologie diese Entwicklung begünstigt, insbesondere das maschinelle Lernen. Somit ist es ein gefährlicher Moment. (…) Wir befinden uns in einer seltsamen Spirale, in der uns unsere Führer immer mehr über die Demokratie belehren und darüber, wie heilig sie ist, während sie sie gleichzeitig (…) zu Tode würgen.»
Das US-Veto gegen die UN-Resolution für einen Waffenstillstand im Krieg zwischen Israel und der Hamas verglich Carlson mit einem Familienkonflikt, in dem die USA als «mächtigstes Land in der Geschichte» den Vater darstellen. Die «heilige Pflicht» des Vaters sei es nun, seine Familie zu schützen und den Frieden in seinen Mauern wiederherzustellen. Wenn sich also zwei Kinder streiten, müsse er als erstes den Streit beenden, und nicht eines der Kinder anspornen. Carlson weiter:
«Wenn Sie also sehen, dass eine Nation mit enormer Macht einen Krieg um ihrer selbst willen unterstützt, haben Sie eine Führung, die keine moralische Autorität hat, die illegitim ist, und das meine ich auch. Und ich beziehe mich nicht einmal auf eine bestimmte Region oder einen bestimmten Konflikt, ich meine allgemein. Ich fühle mich zutiefst beleidigt dadurch. Ich versuche das auszudrücken und werde dafür oft als Verräter bezeichnet. Dabei trifft das Gegenteil zu, weil ich an die USA glaube.
Ich denke, dass es ein moralisch überlegenes Land war, und wenn wir unseren Führern erlauben, unsere Macht zu nutzen, um Zerstörung um ihrer selbst willen zu verbreiten, dann ist das beschämend. Es ist binär. Es ist Schwarz oder Weiss, eine Null oder eine Eins. Entweder man erschafft oder man zerstört, man verbessert oder man degradiert, und so weiss man, ob etwas gut oder schlecht ist, ob es tugendhaft oder böse ist. Man beurteilt die Früchte. Ich bin sehr beunruhigt und besorgt darüber, dass wir in eine Ära eintreten, in der diese wunderbare Kraft anstatt für das Gute für das Böse eingesetzt wird.»
Prognosen zu den US-Präsidentschaftswahlen machte Carlson keine. Er verwies dabei lediglich auf die «Volatilität».
Kommentar Transition News:
Etwas Naivität oder Unwille, den Tatsachen in die Augen zu sehen, lassen Carlsons Aussagen bei allem Respekt durchblicken. So ist zum Beispiel die «moralische Überlegenheit» eines Landes, das durch einen Genozid an der indigenen Bevölkerung gegründet und durch Sklavenarbeit aufgebaut wurde, mehr als fraglich. Und dass sich die US-Regierung mit ihren Geheimdiensten gegen die eigene Bevölkerung wendet, ist nicht erst seit kurzem der Fall.
Emad Eldin Adeeb hat ausserdem recht, dass Carlson bei gewissen Punkten während des Interviews mit Putin mehr Druck hätte ausüben solllen.
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