Und auch Wache gibt es – ganz helle Wache – welche die Menschheit aus dem langen Schlaf der Barbarei erwecken wollen und tatkräftig, zielbewußt sich zusammenscharen, um die weiße Fahne aufzupflanzen. Ihr Schlachtruf ist: «Krieg dem Kriege», ihr Losungswort – das einzige Wort, welches noch imstande wäre, das dem Ruin entgegenrüstende Europa zu erlösen – heißt: «Die Waffen nieder!»
Bertha von Suttner, 1889, in «Die Waffen nieder!»
Liebe Leserinnen und Leser
Es ist Ostern. Menschen gehen in diesen Tagen auf die Straßen und demonstrieren für den Frieden. Ich halte mich zur Zeit in der Stadt auf, in der die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner beigesetzt ist: Gotha in Thüringen.
Deshalb schreibe ich ein paar Gedanken auf, die mich bei dem Thema bewegen. Es sind Gedanken über das Verhältnis der Deutschen zu Krieg und Frieden. anhand einiger kleiner Episoden aus der Stadt der letzten Ruhe von Bertha von Suttner.
Ich hatte 1999 versucht, als Mitglied des Stadtrates von Gotha das Erbe der Friedensnobelpreisträgerin hochzuhalten. Das sollte durch ein Friedensfest im Orangerie-Garten der Stadt am 1. September geschehen, dem Tag des Überfalls des faschistischen Deutschlands auf Polen und des Beginns des Zweiten Weltkrieges, dem einstigen Weltfriedenstag und heutigen Antikriegstag.
Doch eine Mehrheit von CDU und SPD im Stadtrat lehnte diesen Vorschlag ab. Ob das geschah, weil es ein solches Friedensfest zu DDR-Zeiten in Gotha gab oder weil der Vorschlag von einem Mitglied der damaligen kommunalen PDS-Fraktion kam, ist nicht bekannt. Bezeichnend fand ich das Ereignis schon damals dafür, wie viel wert in Deutschland der Frieden ist.
Mitte der 90er Jahre war ich bereits mit einem anderen Antrag gescheitert. Ich hatte vorgeschlagen, dass sich der Oberbürgermeister von Gotha dafür einsetzt, dass die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des faschistischen Dritten Reiches Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus der Zeit von 1933 bis 1945 rehabilitiert und ihnen beziehungsweise ihren Angehörigen eine Rente zahlt.
Dafür sollten unter anderem die Kriegsopfer-Rentenzahlungen an deutsche und ausländische ehemalige Angehörige der Kriegsverbrecherorganisation SS eingestellt werden. Anlass war eine Bitte der in Australien in Armut lebenden Tochter des letzten «Kampfkommandanten» von Gotha, Josef Ritter von Gadolla, ihr finanziell zu helfen.
Ich war der Ansicht, diese Aufgabe habe eben grundsätzlich die Bundesrepublik zu erfüllen. Denn Gadolla, übrigens wie von Suttner in Österreich geboren, wurde heute vor fast genau 57 Jahren, am 5. April 1945, von einem Standgericht der faschistischen Wehrmacht hingerichtet.
Er hatte versucht, die Stadt kampflos an die heranrückenden US-amerikanischen Truppen zu übergeben. Auf dem Weg zu den US-Amerikanern war er bei Weimar von Wehrmachtssoldaten abgefangen und einen Tag nach der Kapitulation Gothas erschossen worden.
Immerhin hatte er erreicht, dass die schon anfliegenden alliierten Bomberverbände kurz vor ihrem Ziel Gotha abdrehten und nur einzelne Bomben auf die Stadt fielen. Dafür wurde leider Nordhausen zum Großteil zerstört. Gadollas (zu) späte Einsicht, dass der Kampf bis zum Untergang sinnlos ist, bezahlte er mit dem Leben.
Immerhin wurde Gadolla 1998 vom Oberlandesgericht Thüringen rehabilitiert und das Urteil gegen ihn aufgehoben. Bis dahin galt Gadolla als Deserteur. Es war das erste Urteil dieser Art in der Bundesrepublik.
Erst 2002 wurden in der Bundesrepublik die Urteile der Militärgerichte gegen Deserteure der Wehrmacht pauschal aufgehoben. Die deutschen und ausländischen Angehörigen der Kriegsverbrecherorganisation SS werden unterdessen weiter mit Renten versorgt – daran hat sich auch 80 Jahre nach dem Sieg über den Faschismus nichts geändert.
Interessanterweise sah ich ebenfalls Mitte der 90er Jahre, auf welche Tradition das in Gotha stationierte damalige Panzeraufklärungsbataillon 13 der Bundeswehr setzte. In dem Traditionszimmer der Kaserne mit dem bezeichnenden Namen «Friedenstein» war ein Foto des Eingangs aus den 30er Jahren zu sehen, davor deutlich die Hakenkreuzfahne.
In Vitrinen standen Modelle von Wehrmachtsfahrzeugen und -panzern. Inzwischen wurde der Festsaal der Kaserne in «Gadolla-Saal« umbenannt. Das Bataillon, jetzt Aufklärungsbataillon 13, ist seit 2004 an den Kriegseinsätzen der Bundeswehr beteiligt.
Es ist aktuell als Bestandteil der Panzergrenadierbrigade 37 im NATO-Verbund als Eingreiftruppe in Litauen in Bereitschaft – an der Westgrenze Russlands. Russland bedrohe die NATO, verkünden zur Zeit deutsche Politiker und vermeintliche Militärexperten und fordern auf, sich auf einen Krieg vorzubereiten, und wollen dafür viel Geld ausgeben.
Und so tragen Soldaten auch aus der Stadt, in der die Urne von Bertha von Suttner steht, den Krieg von deutschem Boden in die Welt. Und wieder wird behauptet, der Feind stehe im Osten. Und wieder sind es auch in Gotha nur wenige Menschen, die wie einst die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner fordern: «Die Waffen nieder!»
Ich wünsche Ihnen trotz alledem ein schönes und friedvolles Osterwochenende! Und möchte Ihnen auf diesem Weg danken, dass Sie uns weiterhin mit Ihren Spenden unterstützen, damit auch wir einen Beitrag leisten können zu Friedfertigkeit statt Kriegstüchtigkeit.
Herzliche Grüße
Tilo Gräser
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