«Wenn dieser Krieg weitergeführt wird, weil man nicht mit Russland verhandeln will, nimmt man weitere Hunderttausende Tote und die Zerstörung des Landes in Kauf.» Davor warnt der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General a.D. Harald Kujat, mit Blick auf den Ukraine-Krieg in einem aktuellen Interview.
Als Grund für diese Haltung in Kiew und dem Westen sieht er das Festhalten an einem Prinzip, wie er gegenüber Roger Köppel von der Schweizer Wochenzeitung Die Weltwoche erklärt. Und fragt:
«Was ist denn moralisch hochwertig: Einen Aggressor zu bestrafen oder das Leid der ukrainischen Bevölkerung zu beenden?»
Doch Kujats Warnung und Frage dürften in der westlichen Öffentlichkeit kaum beachtet werden. Sie passen nicht ins Konzept der regierenden Politik und ihrer medialen Unterstützer, die um jeden Preis Russland «ruinieren» wollen.
Das gilt schon für den Verhandlungsvorschlag für ein Kriegsende, den er unlängst gemeinsam mit den Politikwissenschaftlern Hajo Funke und Peter Brandt sowie dem ehemaligen Kanzler-Berater Horst Teltschik vorlegte. Kujat bezeichnet gegenüber der Weltwoche die dritte Phase des Vorschlags – nach Waffenstillstand und Verhandlungen eine entmilitarisierte Zone zwischen der Ukraine und Russland – als wichtig.
Nur damit sei es möglich, «eine stabile Friedensordnung in Europa» zu schaffen, in der Russland und die Ukraine einen gleichberechtigten Platz haben. Zu dieser Ordnung gehöre eine Schweiz, die auf jeden Fall neutral bleiben müsse, so der deutsche Ex-General.
Aus seiner Sicht ist der Krieg in der Ukraine durch keine der beteiligten Seiten zu gewinnen, «weder von Russland noch von den USA und schon gar nicht von der Ukraine». Der Westen verlängere den Krieg, in dem er im Informationskrieg nur die ukrainische Seite wiedergebe, wodurch diese sich bestätigt sehe.
Kujat sieht kaum Chancen, dass die Ukraine in die NATO kommt und die russischen Truppen vom Territorium vertreiben kann. Dagegen würde es Russland zunehmend gelingen, die ukrainischen Truppen massiv zu dezimieren.
Trotz der enormen personellen und materiellen ukrainischen Verluste in der sogenannten Gegenoffensive glaube der Westen immer noch, die massiven personellen Verluste durch fortgesetzte Waffenlieferungen ausgleichen zu können. «Das ist ein grundlegender Irrtum», so Kujat dazu.
«Über Sieg und Niederlage entscheiden nicht die Waffen, sondern die Soldaten, die sie bedienen.»
Der ehemalige Bundeswehr-Chef und frühere hochrangige Nato-Offizier warnt in dem Interview vor den diskutierten Lieferungen deutscher Marschflugkörper vom Typ «Taurus» an Kiew.
«Seit 1945 wären das die ersten deutschen Waffensysteme, die auf russischem Boden zum Einsatz kommen. Es wäre eine enorme Eskalation.»
Kujat stellt klar: «Die Existenz des russischen Staates und Volkes darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.» Geschehe das, käme es nach der russischen Verteidigungsdoktrin zum Einsatz von Atomwaffen, die nicht gegen die ukrainischen Truppen, sondern «gegen strategische Ziele in Europa» eingesetzt würden.
Er schätzt ein, dass das russische Ziel darin besteht, die vier Gebiete in der Südostukraine vollständig zu besetzen, die von Präsident Wladimir Putin am 30. September 2022 in die russische Föderation aufgenommen wurden. Kujat hält es für möglich, «dass Putin dann sagt, man habe das Ziel der militärischen Spezialoperation erreicht».
Zugleich warnt er davor, dass der US-geführte Westen nach Waffenlieferungen sich auch mit eigenen Soldaten am Krieg beteiligt. «Diese Situation gilt es unter allen Umständen zu vermeiden, und zwar jetzt schon, nicht erst, wenn sie eingetreten ist. Dann wären wir in einer Sackgasse.»
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