Der Begriff «ultraverarbeitete Lebensmittel» ist verstärkt in aller Munde. Selbst ein Magazin wie IT Boltwise, bei dem eigentlich KI und Robotik im Fokus stehen, brachte vor einigen Tagen den Beitrag «Gesundheitsrisiken durch ultra-verarbeitete Lebensmittel steigen». Auch Transition News hat sich mit dem Thema zuletzt intensiver beschäftigt (siehe hier, hier und hier).
Doch welchen Sinn macht es eigentlich, den Begriff «Lebensmittel» für etwas zu verwenden, was etliche Bearbeitungsprozesse durchlaufen hat und dabei vom Leben so weit weg ist wie nur sonstwas? Mit dieser Frage hat sich die Gesundheitsberaterin Marie-Luise Volk in einem Artikel mit der Überschrift «Nahrungsmittel = Lebensmittel? Die Vermengung grundlegender Unterschiede fördert die Un-Bildung», erschienen auf kritisches-netzwerk.de beschäftigt. Darin schreibt sie:
«Obwohl die moderne Ernährungswissenschaft längst zutage gefördert hat, dass es triftige Gründe gibt, den Unterschied zwischen Lebensmitteln und Nahrungsmitteln zu kennen, hält das Verwirrspiel mit den beiden Begriffen bis heute noch an. Interessanterweise wird zum Beispiel auch in Italien zwischen Lebensmitteln ‹viveri› (vivere = leben) und Nahrungsmitteln ‹alimentari› (alimentare = ernähren) begrifflich unterschieden.»
Offensichtlich wüssten aber nur Insider, warum selbst beim deutschen Lebensmittelrecht zwischen Lebensmitteln und Nahrungsmitteln nicht unterschieden werde. Klopfe man die EU-Verordnung 178/2002 zum Lebensmittelrecht darauf ab, stelle man fest, dass das Verwirrspiel fortgesetzt würde. So heiße es in dieser Verordnung:
«Lebensmittel sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (Artikel 2). Zu den Lebensmitteln zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe, einschließlich Wasser, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Be- oder Verarbeitung absichtlich zugesetzt werden.»
Aus dieser Formulierung könne man erkennen, dass dieser Verordnungstext nicht aus der Feder der unabhängigen Ernährungswissenschaft stammen könne. Kaugummi sei nun mal kein Lebensmittel! Volk verweist in diesem Zusammenhang auf Werner Kollath und dessen Werk «Die Ordnung unserer Nahrung», auf Max Bircher-Benner und sein Buch «Vom Werden des neuen Arztes» sowie auf Max Otto Bruker, der «Unsere Nahrung – unser Schicksal» verfasst hat. Sie gehörten zu den Pionieren, die durch Forschungsergebnisse den Unterschied zwischen Lebensmittel und Nahrungsmittel auf den Tisch gelegt hätten. «Doch bis heute bleibt dieser Unterschied der breiten Masse verborgen», beklagt Volk.
«Um die genannten Wissenschaftler zu diffamieren, unterstellte man ihnen Unwissenschaftlichkeit und zog ihre Forschungsergebnisse ins Lächerliche. Skandalöserweise werden diese Forschungsergebnisse aus wirtschaftlichen Gründen unter dem Deckel gehalten.
Ein Blick in mein Schulkochbuch aus den 1960er Jahren(!) belegt, dass sich das Sprachrohr der Nahrungsmittelindustrie, die ‹Deutsche Gesellschaft für Ernährung› (DGE), bereits bei der Ausbildung der Schülerinnen in Stellung gebracht hat. Die Beeinflussung durch die Industrie hat also schon Tradition!»
Doch diejenigen, die sich nicht davon abhalten ließen, wissen zu wollen, was der Unterschied zwischen Lebensmittel und Nahrungsmittel sei, könnten es nicht fassen, mit welchen Mitteln daran festgehalten werde, die Fakten zu vertuschen. Die ständige Berieselung durch die Medien trage ihr übriges dazu bei, kritisiert Volk.
Ihr zufolge gelte es, sich zu vergegenwärtigen, was der Begriff «Lebensmittel» besage, nämlich dass es sich bei ihnen um «lebendige Nahrung» handele, sie also «ein Mittel für das Leben» darstellten. «Lebensmittel können noch sprossen und keimen», betont Volk. «Sie enthalten alle Vitalstoffe. Und die Vitalstoffe heißen»: wasser- und fettlösliche Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Enzyme, ungesättigte Fettsäuren, Aroma- und Faserstoffe.
Ernährungspyramide, Ampelkennzeichnung und Kalorienlehre sind nicht hilfreich
Jeder Vitalstoff habe seine spezifische Aufgabe. Und es sei für unsere Gesundheit von elementarer Bedeutung, die Rolle der Vitalstoffe zu kennen. Dazu zeigt Volk folgende Grafik, mit der sie die wesentlichen Unterschiede aufzeigen möchte zwischen «Lebensmitteln» und «Nahrungsmitteln» (wer die Tabelle noch besser lesen können möchte, der möge bitte auf sie klicken):
© Udo Einenkel aus 10961 Berlin ist Koch mit Leidenschaft, Foodfotograf und ärztlich geprüfter Gesundheitsberater GGB.
Lebensmittel könnten nur sein, die naturbelassen und nicht verarbeitet seien im Sinne von Erhitzung, Konservierung, Präparierung und Imitierung oder gar gentechnischer Veränderung. Ein raffiniertes Ablenkungsmanöver der Nahrungsmittelindustrie sei die «Ernährungspyramide». Volk:
«Jeder Supermarkt, der etwas auf sich hält, hält sie für den Kunden bereit. Aber auch in Arztpraxen ist die Ernährungspyramide weit verbreitet. Der Nachteil der Ernährungspyramide ist aber, dass der Vitalstoffgehalt bei den dargestellten Produkten keine Rolle spielt. An echten Lebensmitteln kann die Nahrungsmittelindustrie nicht viel verdienen, warum sollte sie sie dann auch bewerben?»
Auch mit der Ampelkennzeichnung sei dem Konsumenten nicht geholfen, denn der Hinweis auf quantitative Inhaltsstoffe eines Produkts ersetze nicht das Wissen um den Wert einer Nahrung, ist Volk überzeugt. «Die Ampelkennzeichnung kann die Fragen des Konsumenten an das Produkt nicht beantworten. Auch gibt die Ampelkennzeichnung so wenig wie die Ernährungspyramide Aufschluss über die Herstellungsverfahren eines Nahrungsmittels. Und das Wissen über das Herstellungsverfahren eines Produktes sollte beim Einkauf die entscheidende Rolle spielen.»
Bei Nahrungsmittel handele es sich also nicht mehr um «lebendige Nahrung». Sie seien durch Erhitzungs-, Konservierungs- und Präparierungsprozesse gekennzeichnet. Durch diese Prozesse entstünden enorme Wertverluste in der Nahrung. Nahrungsmittel seien hier nur noch Nährstoffträger, ohne Lebendigkeit. Volk erläutert:
«Nahrungsmittel haben keinen eigenen Stoffwechsel mehr. Die Liste der vorgenannten Prozesse muss leider durch die fortgeschrittene Technisierung der Nahrung wie ‹Imitierung› (Milchweißer, Analogkäse) bis hin zur gentechnischen Verfälschung und nanotechnischen Verschmutzung fortgesetzt werden.»
Volk beklagt auch, dass nach wie vor machtvolle Kreise wie die Nahrungsmittelindustrie, Interessensverbände und die sich in diesem Schlepptau befindliche Politik die Zusammenhänge zwischen Fehlernährung und Krankheit verschweigen würden. Und auch die wirtschaftlichen Einflüsse auf ärztliche Ausbildung, Ausbildung in Schulen, Gesetzgebung usw. seien regelrecht fatal. Die Gesundheitsberaterin weiter:
«Noch immer wird versucht, die Bevölkerung an der Nase herumzuführen mit Hinweisen auf die Kalorienlehre, die längst widerlegt ist. Die Kalorienlehre hat sich deswegen überlebt, weil sie von einer quantitativen Nahrungsauffassung unter Nichtberücksichtigung der Qualität der Nahrung ausgeht.
Die Vitalstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente etc. werden durch die Kalorienlehre nicht erfasst und lassen sich nicht kalorisch quantifizieren.»
Für unsere Gesundheit und unser Überleben sei es daher von zentraler Bedeutung, ganz klar zu unterscheiden zwischen Lebensmitteln und Nahrungsmitteln. Wobei für manche hochverarbeitete Produkte im Grunde selbst der Begriff «Nahrungsmittel» unpassend ist, da sie ja den Körper eben nicht «nähren», sondern ihm sogar schweren Schaden zufügen können.
Wie wertvoll lebendige Nahrung sein kann, verdeutlicht das Beispiel von rohem Honig. Dieser sei wie eine «Zeitkapsel der Gesundheit», so Sayer Ji, unter anderem Gründer von Greenmedinfo. Der Verzehr von rohem Honig ermögliche den Kontakt zu einer tieferen Intelligenz und könne der Paläo-Restaurierung unserer Mikrobiome dienen (Transition News berichtete).
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