«Wir haben schon längst keine Demokratie mehr.»
Unter dieser Überschrift hat das Magazin Hintergrund in seiner jüngsten Ausgabe 7/8-24 ein Interview mit dem Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz veröffentlicht. Darin spricht er über sein neues Buch «Friedensfähigkeit und Kriegslust» und geht auf die Ursachen und die gesellschaftlichen Folgen ein.
Maaz spricht davon, dass wir derzeit «eine große politisch und gesellschaftliche Zäsur» erleben:
«Eine Epoche geht zu Ende. Die finanzkapitalistischen Eliten sind am Ende mit ihren Konzepten, mit den Schulden, mit der Umweltzerstörung, mit der Ungerechtigkeit auf dieser Welt.»
Doch er befürchtet, dass die Krise dieser gesellschaftlichen Entwicklung – aus seiner Sicht eine finanzkapitalistische Normopathie – in den Krieg führt. Damit würden jene, die an der Macht sind, versuchen, zu retten, was zu retten ist, und durch Zerstörung und Wiederaufbau neue Profite generieren.
Er erklärt die Hintergründe der Entwicklung und vor allem die psychologischen Grundlagen dafür. Der 81-Jährige hat sich nach seinen Worten lange Zeit für das Ziel «Nie wieder Krieg!» Eingesetzt, doch mit der Zeit erkannt, dass es in der Breite der Gesellschaft nie richtig verstanden worden ist:
«Für ‹Nie wieder Krieg› müssen die Menschen, also die Kinder, anders behandelt werden. Es ist wichtig, dass sie keinen Grund haben, so einen Gefühlsstau zu entwickeln, den sie dann irgendwo abreagieren wollen und wodurch sie leicht verführbar sind, für die innere Spannung eigener Probleme fremde Verursacher zu vermuten.»
Es gebe «schon längst keine Demokratie mehr ..., sondern nur ein Demokratie-Spiel», erklärt Maaz in dem Interview. Das zeige sich auch in dem «falschen Protest ‹gegen Rechts› und die AfD». Die Demonstranten würden eigentlich sich selbst protestieren, denn sie kommen von den Grünen, SPD und so weiter.
Sie hätten erkannt, «dass das System zu Ende ist, dass Deutschland untergeht, ökonomisch und demokratisch, dass alles nicht mehr funktioniert». Dafür werde ein Sündenbock, ein Bösewicht gesucht, der schuld sei: Die Rechten.
Der Psychoanalytiker und Autor zahlreicher Bücher bezeichnet das als «absurd, weil die Folgen der schlechten Politik haben die CDU, die FDP, die SPD und die Grünen zu verantworten». Die Rechten wie die AfD seien in der Opposition und trügen keine Verantwortung für die politische Entwicklung.
Ähnlich äußert sich in der aktuellen-Ausgabe der Mediziner und Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg. Wie Maaz hat er von Beginn an die Corona-Politik kritisiert, wofür er massiv diffamiert und ausgegrenzt wurde. Auch ihn beschäftigt wie den Psychoanalytiker die Frage, wie es dazu kommen konnte. Seine Antwort in dem Interview:
«Weil so viel Angst vor einem Virus gemacht wurde. Die Medien waren diesmal einhellig dabei und wurden vorher eingestimmt. Es gab schon im Sommer 2019 bei der BBC in London ein großes Treffen der großen Nachrichtenagenturen und Medienvertreter. Man hat sich gegenseitig darauf eingeschworen, dass man ‹Fehlinformationen› bekämpfen wolle.»
Wodarg beantwortet ebenso Fragen nach dem Zustand der Demokratie. Diese habe sich in ihrer repräsentativen Variante längst vom eigentlichen «Souverän», dem Volk entfernt. Er plädiert stattdessen für mehr direkte und regionale Demokratie, zum, Beispiel durch direkt gewählte und jederzeit abberufbare Abgeordnete.
«Parteien, die im ganzen Land wirksam werden, lassen sich überhaupt nicht von der Wählerschaft kontrollieren. Sie sind den herrschenden Kreisen nahe, näher als dem Volk, weil man ihre Macht auch von dort beeinflusst. So können sich die Mächtigen leichter untereinander einigen.»
Der Mediziner und Gesundheitspolitiker sieht eine zentrale Aufarbeitung der Corona-Krise als nicht nützlich an. Es müsse stattdessen um einen gesellschaftlichen Lernprozess gehen, um zu verstehen, wie Menschen verführt wurden. Ziel müsse sein, «dass so etwas nicht noch einmal geschieht. Das ist aus meiner Sicht das Wichtigste, was wir leisten können: Daraus lernen.» Und er erklärt:
«Wenn die Menschen gemeinsam Widerstand leisten, dann sieht es für die Mächtigen und Profitgeier ziemlich schlecht aus. Das lässt sich nicht so einfach ignorieren.»
Es bleibt die Frage: «Wem gehört der Staat?» Das ist das Schwerpunktthema der aktuellen Hintergrund-Ausgabe. Die Antworten darauf kommen aus verschiedenen Perspektiven.
So zeigt der niederländische Politikwissenschaftler Kees van der Pijl, dass das Kapital der eigentliche Souverän ist und der Staat nur die ausführende Agentur. Ein Auszug aus dem neuen Buch «Wem gehört Deutschland» von Jens Berger nimmt die Vermögenden in Deutschland in den Blick.
Der Staatsrechtler Ekkehard Lieberam setzt sich mit dem Zusammenhang von Kriegsvorbereitung, Faschismusgefahr und Demokratiefrage auseinander. Wie der Staat in die Hände eines «korrupten Parteienkartells» geriet beschreibt der Wirtschaftsjournalist Thomas Trares. Die Frage «Wer macht die Außenpolitik?» beantwortet der Politologe Erhard Crome, während die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (BSW) in einem Interview die Rolle der NATO und ihre Geschichte beleuchtet.
Zum Verhältnis Staat und Rundfunk äußert sich in dem Heft der Medienwissenschaftler Michael Meyen. Der Publizist Wolfgang Bittner beschreibt, wie Deutschland «systematisch ruiniert», wird, «wirtschaftlich, kulturell, sprachlich, und zwar mithilfe einer US-affinen Regierung». Der Schweizer Sicherheitsexperte Ralph Bosshard analysiert die Ursachen des Ukraine-Krieges und die (fehlenden) Chancen einer Lösung.
Weitere Beiträge beschäftigen sich mit dem israelischen Vernichtungsfeldzug gegen die Palästinenser und den Folgen für die Region des Nahen Ostens. Themen sind außerdem der Rassismus als Erbe des Kolonialismus sowie der faschistische deutsche Überfall auf die Sowjetunion vor 83 Jahren.
Insgesamt ist das Heft wieder zur Lektüre empfohlen, weil es Hintergründe aktueller Ereignisse und Vorgänge beleuchtet. Und als gedrucktes Magazin bietet es Informationen auf analoge Weise mit einer etwas längeren Haltbarkeitsdauer als das, was in der digitalen Informationsflut oftmals flüchtig auf uns einstürmt.
In Deutschland gibt es das zweimonatlich erscheinende Magazin in allen gut sortierten Kiosken. Interessierte aus anderen Ländern wenden sich am besten an den Verlag über dessen Webseite. Dort gibt es Informationen zum Abonnieren und mehr.
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