Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Dienstag festgestellt, dass Russland systematisch gegen Artikel 10 (Meinungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen habe. Dies entschied der Gerichtshof in der Rechtssache zweier unabhängiger Medienorganisationen und mehrerer Einzelpersonen gegen Russland.
In dem Urteil geht es um die russische Gesetzgebung im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Beanstandet wurden Rechtsvorschriften, die im Jahr 2022 eingeführt wurden und die «Diskreditierung des Militärs» oder die Verbreitung von «Fake News» über dessen Aktionen unter Strafe stellen.
Es habe Verurteilungen gegeben, die friedliche Anti-Kriegsproteste, Unterstützung für die Ukraine, historische Vergleiche mit früheren Kriegen und Berichte über zivile Opfer und mutmaßliche Kriegsverbrechen umfassten, berichtet das Portal Recht, Steuern, Wirtschaft des Verlags C.H.Beck. Die Sanktionen hätten von Geld- bis hin zu Gefängnisstrafen gereicht. Die Medienorganisationen Novaya Gazeta (deren Chefredakteur 2021 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde) und Dozhd TV seien geschlossen, ihre Websites blockiert und ihre Lizenzen widerrufen worden.
Der Gerichtshof stellte fest, es habe «ein systematisches und weitverbreitetes Muster von Beschränkungen der Berichterstattung» gegeben. Dies habe «eine koordinierte Anstrengung zur Unterdrückung abweichender Meinungen» erkennen lassen. Die Gerichte hätten im Wesentlichen «jede Berichterstattung kriminalisiert, die der offiziellen Darstellung widersprach». Es seien «keine Anstrengungen unternommen worden, um konkurrierende Interessen abzuwägen» oder Aspekte zu berücksichtigen, die für die Öffentlichkeit von entscheidendem Interesse seien.
Der EGMR erkannte außerdem weitere russische Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention. Dazu zählen laut der Pressemitteilung:
- das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 3), in Bezug auf Anhörungen zu Verhaftungen
- das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5), in Bezug auf Untersuchungshaft und Verzögerungen bei der Prüfung von Rechtsmitteln gegen Haftanordnungen
- das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8), im Hinblick auf ungerechtfertigte Durchsuchungen von Wohnungen
Wenn man nicht wüsste, dass von Russland die Rede ist, könnte man sich an diverse Ereignisse und Vorgehensweisen der letzten Jahre in vielen europäischen Staaten erinnert fühlen. Unter dem Stichwort «Meinungsfreiheit» gibt es inzwischen eine endlose Liste von staatlich (national oder europäisch) verordneten Angriffen auf die Grundrechte der Bürger.
«Delegitimierung des Staates» ist ein Anliegen für den Verfassungsschutz und der staatliche Kampf gegen angebliche «Desinformation» wird immer umfassender. Wenn sich die «Majestäten» beleidigt fühlen, muss man mit einer Hausdurchsuchung rechnen. Und bezüglich Haftbedingungen oder Verhandlungstaktiken vor Gericht können Menschen wie Michael Ballweg, Heinrich Habig, Walter Weber, Reiner Fuellmich oder auch Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen, ein Lied singen.
Der EGMR jedenfalls bleibt seiner fragwürdigen Linie und seiner bemerkenswerten Sicht auf Menschenrechte treu, über die Transition News bereits öfter berichtet hat. Anzumerken wären hier beispielsweise Entscheidungen im Kontext von Gesundheit, Religionsfreiheit, Klimapolitik oder Migration.
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