Der journalistische Tiefflug im SRF-«10vor10»-Beitrag vom 30. Juli über die neue Impfpolitik in den USA beginnt schon bei den ersten Worten der Einleitung: «Die Wissenschaft ist sich einig: Impfungen sind eine gute Sache», verkündet der Moderator Arthur Honegger mit Selbstvertrauen. Hinter ihm das Bild eines nackten Arms mit «Impfpflaster» auf der Schulter und einem hochgestreckten Daumen.
Die grammatikalischen und logischen Schwächen in dem Satz einmal außen vor gelassen: Da haben wir sie also wieder, «die Wissenschaft», diesen offenbar monolithischen Block ohne Abweichungen. Diese Phrase wird oft gerne im Zusammenhang mit dem Klimawandel verwendet. Letzten Mai schrieb beispielsweise Swissinfo, das wie SRF zur Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR gehört: «Die Wissenschaft ist sich einig, dass eine rasche und drastische Verringerung der CO₂-Emissionen unerlässlich ist, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.» Schließlich hatte schon der Klimapapst Al Gore klargemacht, dass «the science» in dieser Beziehung «settled» ist.
Was der öffentlich-rechtliche Sender jedenfalls meint, ist die «orthodoxe» Wissenschaft. Man könnte sie auch die gekaufte Wissenschaft nennen. Die Wissenschaft, die Dogmen als Fakten verkauft. Die Wissenschaft, die vorwiegend dem medizinischen-pharmazeutischen Komplex dient, anstatt den Menschen.
Und «eine gute Sache» kann man in diesem Zusammenhang «am Stammtisch» sagen, aber nicht als Moderator im Fernsehen. Das hätte ich gerne etwas präziser und differenzierter. Honegger zeigt sich jedenfalls zuerst tolerant: «Für sich persönlich sehen einige das anders. In einer freien Gesellschaft an sich kein Problem.» Dann wird er dramatischer:
«Wenn nun aber einer der bekanntesten Impfkritiker plötzlich Gesundheitsminister ist, wird aus der persönlichen Haltung mehr: Sie prägt die Regierungspolitik. Genau das erleben derzeit die USA, wo Robert F. Kennedy Jr. in Sachen Impfungen für Verwerfungen sorgt und für Verwirrung.»
Kennedy beruft sich laut SRF also nicht auf wissenschaftliche Studien, er hat einfach eine persönliche Haltung, die von den Fakten abweicht. Er wird somit als abwegig dargestellt. Es lohnt sich gar nicht, sich näher mit ihm und seinen Ansichten zu befassen, so die Botschaft.
Die US-Kinderärztin Megan Prior, die auch eigene Instagram-Videos über Medizin veröffentlicht, teilt in dem Bericht die Eltern in ihrer Praxis in zwei Gruppen auf: Jene, die Angst hätten, die gewünschten Impfungen aufgrund der von der Regierung vorgenommenen Änderungen nicht mehr zu bekommen, und jene, die mit der Impfung gezögert hätten und sich nun bestätigt fühlten. Deshalb führe sie aktuell viel mehr Gespräche über die Wichtigkeit von Impfungen, so Prior.
Diese «verbreitete Impfskepsis» habe auch mit dem «bekannten Impfskeptiker» RFK Jr. zu tun, ist sich SRF sicher. Noch Anfang des Jahres habe er gesagt, die Masern-Impfung führe jedes Jahr zu Todesfällen, «eine wissenschaftlich unhaltbare Behauptung», putzt der Sender das Thema Nebenwirkungen weg. Wahr sei hingegen:
«Die USA haben derzeit so viele Masernfälle wie seit 33 Jahren nicht mehr, weil die Durchimpfungsrate in den letzten Jahren zurückging. Und im Frühling, nachdem erste ungeimpfte Kinder an Masern gestorben waren, sprach Kennedy doch noch eine Impfempfehlung aus. Die Impfung sei aber eine, Zitat, ‹persönliche Entscheidung›.»
Nun ist es aber keineswegs gesichert, dass diese Kinder an Masern gestorben sind, ganz im Gegenteil. Bei einem sechsjährigen Mädchen aus Texas beispielsweise kam der Intensivmediziner Pierre Kory nach Einsicht der Krankenakte zu dem Schluss, dass sie infolge eines «medizinischen Fehlers» verstorben sei. Unter anderem seien ihr nicht rechtzeitig das richtige Antibiotikum verabreicht und Atmungsbehandlungen verweigert worden. Kory zufolge zeigen die Unterlagen, dass das Mädchen nämlich an einer sekundären bakteriellen Lungenentzündung verstorben ist, die «wenig mit Masern zu tun hatte».
Die 8-jährige Daisy Hildebrand starb vermutlich sogar aufgrund einer ganzen Reihe von Behandlungsfehlern, wie ihr Vater Peter in einer Dokumentation von Children’s Health Defence /CHD) berichtet. Auf die Frage, ob er glaube, Daisy sei «an Masern» gestorben, antwortete er überzeugt: «Nein, absolut nicht.» Vorher hatte Hildebrand berichtet:
«Unser letzter Arzt redete ständig von Masern dies und Masern das. Er versuchte, alles auf die Masern zu schieben. Und der Test, von dem Sie (der Interviewer, Biochemieingenieur Brian Hooker) sagten, er sei erst am Tag ihres Todes positiv ausgefallen, wahrscheinlich, weil sie sich so auf die Masern konzentrierten, dass sie nicht daran dachten, auf andere Tests zu achten. Deshalb ist meine Tochter heute tot.»
Diese Fokussierung auf einen einzigen angeblichen Erreger erinnert zum Beispiel stark an die Vorgehensweise bei «COVID» und «AIDS».
Dem Vater zufolge hatte Daisy im ersten Krankenhaus, in dem sie waren, Antibiotika gegen Lungenentzündung erhalten. Hooker erläutert, dass das Mädchen jedoch erst am Tag ihres Todes nach Bakterien getestet wurde, um das richtige Antibiotikum zu bestimmen. So seien die, die vorher verschrieben wurde, zum Beispiel ungeignet gegen die sogenannte nosokomial erworbene Pneumonie (Hospital-acquired pneumonia; HAP), also eine Lungenentzündung, die frühestens 48 Stunden nach Hospitalisierung auftritt. Sie wird oft durch resistentere Bakterien verursacht.
In der CHD-Doku kommt unter anderem auch Kristine Nelson zu Wort, deren Sohn sich zuerst normal entwickelte, doch dann plötzlich begann, Rückschritte zu machen. Kristine glaubt, dass die Impfungen in der Kindheit eine Rolle dabei spielen, weshalb ihre Familie keine Impfungen mehr bekam und schließlich zwei ungeimpfte Kinder großzog. Sie klagt: «Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Ich würde definitiv ‚Nein‘ sagen, und zwar respektvoll.»
Ende 2024 hatte Kennedy übrigens gesagt, bei keiner Impfung gebe es wirklich eine solide Placebo-kontrollierte Studie (wir berichteten hier, hier und hier).
Was Kennedys «Schwenk» betrifft, erfolgte dieser laut meinem Redaktionskollegen Torsten Engelbrecht aus taktischen Gründen. RFK Jr. erscheine es offenbar noch zu früh, auf zu starken Konfrontationskurs mit «Big Vaccine» zu gehen.
Doch zurück zum SRF-Beitrag: Nun kommt Douglas Evans zu Wort, Professor für öffentliche Gesundheit an der George Washington University, der, so SRF, «zu den Themen Impfakzeptanz und Impfkampagnen forscht» und Kennedys Kommunikation problematisch finde. So stellt Evans fest:
«Er sendet gemischte Signale aus, und das hilft natürlich nicht, das eigentliche Ziel zu erreichen, nämlich eine höhere Impfquote. Was wir brauchen, sind klare Botschaften. Wir müssen es Eltern leicht machen, ihre Kinder impfen zu lassen, indem wir ihnen versichern, dass Impfstoffe sicher und wirksam sind. Denn das sind sie. Wir müssen die Impfskepsis verringern, und solche Aussagen bewirken genau das Gegenteil.»
Was SRF verschweigt: Evans erhält Geld von der Bill & Melinda Gates Foundation. Er ist nämlich Hauptverantwortlicher eines von der Stiftung geförderten Projekts zur Evaluation des Programms für Schwangerschafts- und pränatale Betreuung in zwei nigerianischen Bundesstaaten. Die Studie begann 2023 und läuft noch dieses Jahr.
Bedenklicher ist allerdings ein weiteres von der eng mit der Pharmaindustrie verbundenen Gates-Stiftung finanziertes Projekt, das Evans geleitet hat und das 2023 abgeschlossen wurde. Dabei ging es um die Entwicklung und Bewertung der Wirkung einer Social-Media-Kampagne zur Förderung von Covid-«Impfungen» unter Gesundheitspersonal in Nigeria. Dabei ist anzumerken, dass in dem Land etwa 230 Millionen Menschen leben. Auf der Website der George Washington University wird erläutert:
«Dieses Projekt nutzte die Plattformen Facebook und Instagram (Meta), um Social Influencer in Nigeria zu befähigen, die Vorteile von Impfungen speziell unter Gesundheitspersonal zu bewerben und die Impfskepsis in dieser vielfältigen Bevölkerung zu überwinden. Dr. Evans leitete eine zweijährige Wirkungsevaluierung (2021–2023), bei der eine neuartige Social-Media-Rekrutierungs- und Datenerhebungsstrategie zum Einsatz kam und die Dosis-Wirkungs-Effekte von impffreundlichen sozialen Medien auf die Impfskepsis und die COVID-19-Impfraten in mehreren großen Bundesstaaten Nigerias untersucht wurden.»
Um klarzumachen, welche Gefahr Kennedy darstellt, teilt SRF noch mit, dass dieser zuletzt die gesamte 17-köpfige Impfkommission entlassen hat, die verantwortlich für Impfempfehlungen ist. Neu bestehe das Gremium noch aus acht Mitgliedern, «von denen einige auch schon Falschinformationen übers Impfen verbreitet haben».
Unerwähnt lässt SRF, dass Kennedy den ehemaligen Mitgliedern dieser Impfkommission Interessenkonflikte vorgeworfen hat. Die Entlassungen seien Teil einer weitreichenden Bemühung, den unangemessenen Einfluss der Industrie auf die Gesundheitsbehörden der Nation zu minimieren. Auf das wichtige Thema dieser Einflussnahme hätte SRF durchaus kurz eingehen können.
Erste Bundesstaaten würden nun handeln, heißt es im Beitrag hingegen weiter. So habe Colorado soeben ein Gesetz verabschiedet, dass die Gesundheitsbehörden des Bundesstaats, die Impfempfehlungen künftig nicht nur auf die nationale Impfkommission abzustützen, «in der seit kurzem sogar Verschwörungstheoretiker Einsitz haben». Stattdessen solle die Behörde auch Empfehlungen von nationalen Ärzteverbänden in den USA berücksichtigen. So wolle der Gesetzgeber sicherstellen, dass Eltern und Ärzteschaft auch künftig Zugang zu «wissenschaftsbasierten Erkenntnissen» haben.
Prior macht zuversichtlich, dass nun ein außergewöhnlicher Ruck durch diese Verbände gehe. Es herrsche das Gefühl vor, von der Regierung nicht mehr die gewohnten, «wissenschaftsbasierten» Leitlinien zu bekommen. Also müssten die Ärzte und deren Verbände für diese Leitlinien sorgen. Sie müssten für die Gesundheit der US-Amerikaner kämpfen. «Es dürfte ein zäher Kampf werden», sowohl in den Arztpraxen wie in den sozialen Medien, schließt SFR den Bericht.
Fazit: Sie könnte besser sein, die Propaganda. Ihre Offensichtlichkeit zeugt von Verzweiflung. Ein Verschwörungstheoretiker jedenfalls, wer bei dieser Art von «Journalismus» Böses denkt.