Über drei Jahre ist es her, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO die «Corona-Pandemie» ausgerufen hatte. Es folgte eine noch nie dagewesene globale Synchronisierung des Ausnahmezustands, ein wahrhaft historisches Ereignis.
In der mehrteiligen Serie «Totalitarismus im Gesundheitsmantel» wird auf die Geschehnisse zurückgeblickt und danach gefragt, wie diese möglich waren und was das politische Handeln rund um die Corona-Massnahmen für die Zukunft insbesondere von Demokratien bedeuten könnte. Nachfolgend wird die Serie mit Teil 4 fortgesetzt (Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 5 hier, Teil 6 hier).
Die Profiteure
Die Tech-Branche ist eine grosse Gewinnerin der Coronakrise. Sie hat besonders von der Stilllegung des öffentlichen Lebens profitiert, weil mehr Aktivitäten zwangsläufig in die Digitalität verlagert wurden, etwa Bildung oder Einkäufe. So liess sich die grösste US-Lehrergewerkschaft von Big Tech aufkaufen, damit der Unterricht weiterhin möglichst online übers Internet abgehalten werden konnte (wir berichteten).
Die Technologie-Branche spendet jährlich über 97 Millionen Euro an EU-Institutionen, um die Politik der Digitalökonomie zu beeinflussen. Das macht die Branche zum grössten Lobbyisten, noch vor Big Pharma, der Öl-, Finanz- und Chemieindustrie. In der Liste finden sich Tech-Firmen wie Amazon, Huawei, Apple, Microsoft, Facebook und Google.
Der Wert von Unternehmen aus der Technologie-Branche stieg, gemessen an ihren Aktienkursen, seit Mitte März 2020 (nachdem es Anfang des Jahres einen allgemeinen Kurseinbruch gab) verglichen mit dem Gesamtmarkt überdurchschnittlich (Stand Ende März 2022, nachdem viele Massnahmen aufgehoben worden waren). Teilweise stiegen ihre Börsenwerte um mehr als das Doppelte: Google/Alphabet +160%, Amazon +73%, Microsoft +87%, Oracle +69%, Apple +145%.
Einen kometenhaften Auf- und Abstieg erlebte das Online-Konferenztool Zoom: Die Aktie von Zoom Video Communications legte zwischenzeitlich über 400% zu. Das Unternehmen ging erst 2019 an die Börse, wodurch der Erfinder Eric Yuan Milliardär wurde. Während seiner Studienjahre an chinesischen Universitäten wurde er durch die Zukunftsversprechen des Internets von Bill Gates inspiriert und wollte am Technologie-Boom im Silicon Valley der 1990er-Jahre teilnehmen.
Später war er an der Stanford University, die für ihren Einfluss auf die Unternehmen der Technologie-Branche aus dem nahegelegenen Silicon Valley berühmt ist. Die Universität wurde zum ersten Kunden von Zoom. Zooms Hauptquartier ist zwar im Silicon Valley, die Software wird teilweise jedoch in China entwickelt und ist für ihre Verschlüsselungsschwächen bekannt. Das Unternehmen übte schon auf Befehl des chinesischen Regimes Zensur aus.
Die Aktienkurse von Google/Alphabet, Microsoft, Apple, Oracle, Amazon, Zoom. Der Leitindex Dow Jones stieg um 50%. Quelle: Yahoo! Finance
Big Tech: Transhumanismus und Überwachung
Silicon Valley-Milliardär Peter Thiel, zusammen mit Tesla-Gründer Elon Musk Gründer von PayPal und Frühinvestor in das CIA-nahe Facebook, investiert fleissig in Bio- und Überwachungstechnologie. Thiel ist in der Community der ehemaligen «Young Global Leaders» des WEF und Transhumanist. Beim Founders Fund (wo Thiel Partner ist, unter anderem Airbnb, Spotify, SpaceX mit Musk) kursieren Ideen über künstliche Reproduktionsmedizin, Stammzellenmanipulation, die Mars-Besiedelung mit «neuen Beziehungsmodellen» und dem «heteroflexiblen Marsianer». Weitere Projekte sind globales Einkommen in der «Maschinen-Ökonomie», biologische Singularität, Roboter-Menschen oder Unsterblichkeit. Auf der Website steht: «Earth is a single-point failure for humanity».
Thiel hat auch schon die Arbeit von Aubrey de Grey zum Aufhalten des Alterns mitfinanziert. In einem Text für die neoliberale Denkfabrik Cato Institute schrieb er, dass er Freiheit und Demokratie für unvereinbar miteinander halte. In der Vergangenheit unterstützte er neokonservative Politiker der Neuen Rechten wie die Tea Party oder Donald Trump.
Thiel investierte unter anderem mit Founders Fund und Musk in das britische KI-Unternehmen DeepMind Technologies, das mittlerweile zu Google Health gehört, mit ihrem «Wunderkind» Demis Hassabis, das die britische Regierung berät und mit dem National Health Service und Gesundheitseinrichtungen zusammenarbeitet. Dabei werden sensible persönliche Daten in einer rechtlichen Grauzone ausgetauscht und die Privatsphäre verletzt. Lila Ibrahim, General Manager von DeepMind, war ein «Young Global Leader» des WEF und bei Kleiner Perkins beschäftigt, einer der berühmtesten Risikokapital-Gesellschaften im Silicon Valley.
Palantir Technologies: Vernetzung von Big Data
2004 gründete Thiel unter anderem mit Alex Karp (heute CEO) Palantir Technologies, ein Softwareproduzent zur Analyse von Big Data. Sie studierten an der Stanford University, wo mithilfe der DARPA indirekt auch Google entstanden war. Ursprünglich ging es dabei in den 1990er-Jahren darum, Informationen in einem Netzwerk zu verknüpfen und eine neue computerbasierte Methode der Datenarchitektur, gewissermassen eine digitale Bibliothek, zu entwickeln («Intelligent integration of information»). Stanford bildet im Silicon Valley ein Cluster aus Wissenschaft, Technologie, Militär und Sicherheitspolitik. So lehrt heute beispielsweise die frühere US-Aussenministerin und Nationale Sicherheitsberaterin unter US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice, Politikwissenschaft in Stanford. Sie befand sich unter Palantirs Beratern und war nach dem 11. September 2001 mitverantwortlich für den Ausbau des Überwachungsapparats.
Karp promovierte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und pflegt gute Kontakte im deutschsprachigen Raum. Er tritt am WEF regelmässig als Redner auf und war bis vor kurzem im Aufsichtsrat der deutschen Unternehmen Axel Springer (Medien) und BASF (Chemie). Thiel und Karp sind ausserdem Mitglieder im Lenkungsausschuss der Bilderberger-Konferenzen, wo derzeit auch Eric Schmidt dazugehört.
Palantirs Geschäftsmodell: «Big Data for Big Brother.» Das Unternehmen arbeitet seit der Gründung 2004 für US-Geheimdienste und wurde respektive wird von In-Q-Tel mitfinanziert. Mittlerweile ist auch das US-Verteidigungsministerium mit an Bord. Palantir ist ein weiteres Tech-Unternehmen, das stark von der Coronakrise profitiert (siehe Recherchen von Guardian und Spiegel). So schreibt die Frankfurter Rundschau:
«Im Laufe der Covid-19-Pandemie bot Palantir Regierungen rund um den Globus die Nutzung ihres Produkts ‹Foundry› für das Krisenmanagement in Gesundheitsbehörden an. Grossbritannien und Griechenland nahmen das Angebot an – und zwar kostenlos (...) Ferner war Palantir in den Skandal um die britische Firma Cambridge Analytica verstrickt. Die Firma soll bei gezielter und umstrittener Wahlkampfwerbung bei den US-amerikanischen Vorwahlen und Präsidentschaftswahlen 2016 mitgewirkt haben.»
Der Deal war: Gratis-Software gegen jede Menge Daten. Der britische National Health Service lieferte von Patienten Namen, Alter, Geschlecht, religiöse und politische Überzeugungen, denpsychischen Zustand, polizeiliche Führungszeugnisse, Beruf, Arbeitgeber, Wohnort, Telefonnummern. Zuvor machte das Unternehmen im Heimmarkt USA mit China-ähnlichen Methoden auf sich aufmerksam, wie die Frankfurter Rundschau weiter berichtet:
«2018 wurde bekannt, dass Palantir jahrelang einen geheimen Zugriff auf polizeiliche Datenbanken in New Orleans hatte. Palantir nutzte die Behördendaten für sein System zur Vorhersage von Straftaten einzelner Personen. Dabei soll Palantir die umstrittene Technik zur Gesichtserkennung (Facial recognition) verwendet haben.»
Die Tatsache, dass Palantir in den vergangenen Jahren nur Verluste schrieb und trotzdem sehr erfolgreich im Einwerben von neuem Kapital war, lässt darauf schliessen, dass sich finanziell potente und politisch motivierte Gruppen im Umfeld des Unternehmens befinden, die sich für Überwachungstechnologie interessieren. Neben Behörden wie CIA, FBI, NSA oder Europol gehören zahlreiche Grosskonzerne zum Kundenstamm, etwa JPMorgan, Bank of America, IBM, Amazon, Merck, Airbus, Fiat Chrysler. Besonders Finanzinstitute sind an Palantirs Lösungen gegen Betrug und Hackerangriffe interessiert. Allerdings stellt Palantir im zivilen Bereich wohl keine Super-Software dar. So sollen Konzerne wie American Express oder Coca-Cola die Zusammenarbeit beendet haben.
Palantir im deutschsprachigen Raum
In Deutschland arbeiten Polizeibehörden von Hessen und Nordrhein-Westfalen mit Palantir-Software. So soll das Potenzial eines überwachten Menschen errechnet werden, in naher Zukunft möglicherweise einer kriminellen Aktivität nachzugehen. Dieser wird dadurch automatisch «vorverdächtigt», was die Unschuldsvermutung auf den Kopf stellt. In mehreren Bundesländern seien jüngst Polizeigesetze entsprechend geändert worden, so die Frankfurter Rundschau. Über das Beispiel Bayern haben die Zeit oder die Süddeutsche berichtet. Dazu kommen schwammige Rechtsbegriffe mit reichlich Interpretationsspielraum für potenzielle Willkür wie «Gefährder» oder «drohende Gefahr».
Stilstudie einer Gesichtserkennungssoftware. Foto: Screenshot fr.de
Palantir baut in Altendorf im Kanton Schwyz (Schweiz) seinen Europasitz auf. Im Steuerparadies dürfte das Unternehmen kaum Abgaben bezahlen und es braucht sich wenig um Datenschutzregeln zu kümmern. Erinnerungen an den Fall der Schweizer Crypto AG werden wach, deren Skandal erst 2020 aufgedeckt wurde. Die Firma gehörte de facto der CIA. Jetzt also Palantir, ein weiteres Geheimdienst-Unternehmen.
Weiters macht sich Palantir im Journalismus breit (neben dem bereits erwähnten Axel Springer-Verlag): Die Palantir-Managerin Laura Rudas sass knapp drei Jahre im Verwaltungsrat von Ringier, einem der grössten Schweizer Medienverlage. Mit der Software Foundry sollen Journalisten «fundiertere Entscheidungen darüber (...) treffen, welche Inhalte am besten die Erwartungen der Leserinnen und Leser erfüllen», liess der Verlag gegenüber der WOZ verlauten. Es sei dahingestellt, wie ernst man diesbezüglich das auf der Ringier-Webseite deklarierte Selbstbild von «Unabhängigkeit, Meinungsfreiheit und Informationsvielfalt» noch nehmen kann, wenn sich journalistische Inhalte nach Algorithmen richten.
Big Money: Superreiche und Finanzhaie
Die globale Ungleichheit hat sich seit den Massnahmen-Regimes weiter verschärft. Die Superreichen spielen bei den Krisenprofiteuren ganz vorne mit. Das Vermögen der Milliardäre wuchs im ersten Pandemiejahr von März bis Ende 2020 um 3,9 Billionen US-Dollar auf 12 Billionen US-Dollar. Ein paar Beispiele aus einem Artikel beim Rubikon (jetzt: Manova) seien hier genannt: Jeff Bezos (Amazon) konnte um 25 Milliarden US-Dollar zulegen, Elon Musk (Tesla) um 8 Milliarden US-Dollar und Eric Yuan (Zoom) um 2,58 Milliarden US-Dollar in einem Monat.
Das Vermögen der Reichsten stieg im ersten Pandemiejahr 2020 weltweit. Quelle: CS, Global Wealth Report 2020, S. 32.
Der weltgrösste Vermögensverwalter BlackRock hält substantielle Aktienbeteiligungen an den meisten der grössten Unternehmen. Trotz Corona gediehen die Zahlen prächtig. So meldete die FAZ: «Das verwaltete Vermögen von BlackRock stieg im Vergleich mit dem Vorjahresquartal um knapp ein Drittel auf einen Rekordwert von 9,49 Billionen Dollar.» Ende 2020 betrug dieser Betrag noch 8,68 Billionen US-Dollar. Das entspricht 2,5-mal dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands. BlackRock gehört mit Vanguard und State Street zu den Big Three der Vermögensverwalter, die zusammen über 15 Billionen US-Dollar angelegt haben, was dem BIP Chinas entspricht (ganzer Report hier).
BlackRock-Boss Larry Fink wollte die Coronakrise für den grünen Umbau des Planeten («Green Deal») nutzen und profitierte von engen Verbandelungen zur amerikanischen Zentralbank. Der «Green Deal» wird mit Steuermilliarden subventioniert, deshalb sieht Fink im Klimawandel ein hervorragendes Geschäftsmodell, sodass er den grünen Druck auf Unternehmen erhöht, in die BlackRock investiert. Die amerikanische Zentralbank engagierte BlackRock zur Stabilisierung der Kreditmärkte, was dem US-Unternehmen mit Sitz in New York «voraussichtlich substanzielle Einnahmen [bringt], die mit Geldern der Allgemeinheit bezahlt werden», so die NZZ.
Fink treibt die WEF-Agenda voran und sitzt im Council on Foreign Relations, einer regierungsnahen Denkfabrik, die einflussreich in der US-Aussenpolitik ist. Bei BlackRock sammelt sich die wirtschaftspolitische Elite: So war Friedrich Merz aus der Merkel-CDU bis 2020 im deutschen Aufsichtsrat; Philipp Hildebrand, Ex-Präsident der Schweizerischen Nationalbank, ist in einer Leitungsposition beschäftigt; und Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, lässt sich von BlackRock beraten – obwohl das Unternehmen als Schattenbank gilt. Werner Rügemer («Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts») nannte BlackRock den «gegenwärtig grössten Kapitalisten»:
«BlackRock ist Aktionär, also Miteigentümeir in 18’000 Banken und Unternehmen weltweit, bei Coca Cola, Lockheed, Boeing, Allianz, United Bank of Switzerland, Nestlé, Bayer, Monsanto, Rheinmetall, Lufthansa, RWE genauso wie bei Amazon, Facebook, Apple, Microsoft und Google. BlackRock ist der einflussreichste Kapitalorganisator des US-geführten Westens.»
Rügemer hat sich in seinem Buch «BlackRock & Co. enteignen!» explizit mit den Machenschaften von BlackRock beschäftigt (wir berichteten).
Zu Teil 1 geht es hier, zu Teil 2 hier, zu Teil 3 hier, zu Teil 5 hier, zu Teil 6 hier.
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