Mitten in der Stadt Hebron im Westjordanland leben rund 700 jüdische Siedler unter etwa 220.000 Palästinensern (wir berichteten). Die meisten davon gehören zur religiös-zionistischen Kahane-Bewegung, die auf den Ansichten von Meir Kahane basiert, dem Gründer der Jewish Defense League und der Kach-Partei. Sie glauben an die jüdische Vorherrschaft. Die umzäunte jüdische Siedlung wird durch ungefähr 2000 Soldaten der israelischen Streitkräfte (IDF) geschützt. Den Palästinensern ist der Zugang zu einer zentralen Straße seit Jahren untersagt, sie dürfen dort also nicht durch die Vordertür ihrer Häuser gehen.
Meistens im November, am fünften Sabbat nach Simchat Tora, schwellen die israelischen Siedler in Hebron (für Palästinenser als al-Khalil bekannt) zu Zehntausenden an. Dann feiern sie nämlich den jüdischen religiösen Feiertag Shabbat Chayei Sarah, ein jüdischer religiöser Feiertag. Sogar aus dem Ausland kommen die Gläubigen. Der Feiertag erinnert an Sarah, die Frau Abrahams, die der Bibel zufolge in der «Höhle der Patriarchen» in Hebron begraben ist.
Wie L’Indipendente berichtet, ist der Feiertag in den letzten Jahren zu einem Anlass für Spannungen geworden, der von Gewalt und Übergriffen gegen die palästinensische Gemeinschaft geprägt sei. So sei es in diesem Jahr zu Angriffen auf palästinensische Häuser, Geschäfte und Fahrzeuge und zu provokativen Aufmärschen und antiarabischen Parolen gekommen, wenn auch mit etwas weniger Intensität als in der Vergangenheit. Die Palästinenser seien jedoch mit starken Einschränkungen konfrontiert: geschlossene Kontrollpunkte und die vollständige Militarisierung der Stadt, um die jüdischen Feierlichkeiten zu ermöglichen. Die italienische Zeitung erläutert:
«Hebron ist in der Tat eine geteilte Stadt, ein Palästina im Kleinen: Metalldrehkreuze, Mauern und nicht weniger als 28 Kontrollpunkte trennen die von den Israelis kontrollierte H1-Zone von der H2-Zone, die sich in den Händen der Palästinensischen Behörde befindet. Mindestens 20.000 Palästinenser leben in dem vom jüdischen Staat kontrollierten Gebiet, der nicht nur Familien und Gemeinschaften trennt, sondern auch Tausende von Menschen zwingt, täglich langwierige Sicherheitskontrollen zu durchlaufen und Misshandlungen, Missbrauch und die willkürliche Schließung ganzer Stadtviertel zu erdulden. Nach der Karte des OCHA (Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) vom September 2023 gibt es insgesamt 80 Blockaden in der Stadt, doch seit dem 7. Oktober sind es 113 in der Altstadt und 180 in ganz Hebron.»
Der Feiertag Shabbat Chayei Sarah gehöre zu den Tagen, die die ohnehin schon schwierigen Lebensbedingungen für die Palästinenser in al-Khalil noch verschlimmern, so L’Indipendente: Das gesamte Gebiet sei für Palästinenser abgesperrt und die Kontrollpunkte seien vollständig geschlossen, um den Übergang von einer Seite der Stadt zur anderen zu verhindern.
Während des letzten Shabbats seien nun Gruppen jüdischer Gläubiger nachts durch palästinensische Viertel marschiert und hätten Parolen und Beleidigungen gegen Araber skandiert – manchmal angeführt von politischen Persönlichkeiten wie Itamar Ben-Gvir, dem Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit und Israels Minister für nationale Sicherheit (wir berichteten hier, hier, hier und hier über ihn). Am Samstag hätten jüdische Jugendliche auch Steine gegen die Palästinenser geworfen.
Gemäß der Zeitung hat das Militär in den vergangenen Jahren oft einen Marsch in die Altstadt erlaubt und erleichtert, so dass die arabischen Händler gezwungen waren, ihre Stände zu schließen und sich in ihren Häusern zu verbarrikadieren, weil sie Gewalt durch die Siedler befürchteten. In diesem Jahr habe der Marsch nicht stattgefunden, wahrscheinlich aufgrund der aktuellen politischen Lage.
«B.», ein Mitglied einer lokalen Menschenrechtsorganisation, prangert L’Indipendente zufolge eine Strategie der «stillen Vertreibung» an: Durch Restriktionen, Misshandlungen und prekäre wirtschaftliche Bedingungen würden die Palästinenser aus der Stadt verdrängt. Seit dem Jahr 2000 seien mehr als 580 Geschäfte auf Anordnung des Militärs geschlossen worden. Mehr als 1800 Palästinenser hätten aufgrund von Beschränkungen in der Mobilität wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen. «B.» sagte gegenüber L’Indipendente:
«Glücklicherweise gab es in diesem Jahr nur wenig Gewalt. Aber das Leben in al-Khalil wird immer schwieriger. Wir leben in einer Apartheid, und seit dem 7. Oktober ist es noch schlimmer geworden. Sie öffnen und schließen die Stadt, wie sie wollen: Nach dem Beginn des Konflikts waren wir zehn Tage lang gezwungen, in unseren Häusern zu bleiben, und konnten nur eine Stunde am Tag nach draußen gehen.
Von meinem Haus im Viertel Jaber [H2] brauchte ich fünf Minuten zur Moschee. Jetzt gehe ich nicht mehr dorthin, denn ich müsste acht Kontrollposten durchqueren – Straßensperrungen und Checkpoints. Ihr Ziel ist es, uns müde zu machen, uns aus diesen Vierteln zu vertreiben.
Sie gehen schrittweise vor und versuchen, die Demografie von Stadtvierteln zu verändern. Sie bringen die Menschen dazu, leise zu gehen, weil sie sie in ein Nicht-Leben zwingen. Und dann nehmen sie sich alles.»
Mehrere palästinensische Bewohner Hebrons teilten Al Jazeera mit, es sei, als ob sie in einem Gefängnis leben würden.
Laut der israelischen Zeitung Haaretz nahm die israelische Polizei am Wochenende in Hebron acht jüdische Personen fest, die verdächtigt werden, an gewalttätigen Zwischenfällen während der religiösen Veranstaltung beteiligt gewesen zu sein. Bei sechs der Festgenommenen werde die Haft verlängert, darunter vier, die unter Verdacht stehen, an dem versuchten Angriff auf den Chef des Zentralkommandos, Generalmajor Avi Bluth, am Freitagabend beteiligt gewesen zu sein. Der Vorfall habe sich ereignet, als etwa 30 Jugendliche Bluth und andere Offiziere verfolgt, Beleidigungen wie «Verräter» und «Feind Israels» in Bezug auf behördliche Anordnungen gerufen und ihnen den Weg versperrt hätten. Die israelische Armee habe die Tat als schwere Gewalt gegen ihre Mitarbeiter verurteilt.
Die anderen zwei Festgenommenen haben laut der gerade von der israelischen Regierung «boykottierten» Zeitung einen militärischen Kontrollpunkt in Hebron durchbrochen. Hunderte hätten es am Samstag versucht. Der Kontrollpunkt habe den Zugang zu einem für Juden gesperrten Gebiet in der Altstadt beschränkt – eine Entscheidung, die aufgrund früherer Gewalttätigkeiten bei ähnlichen Veranstaltungen getroffen worden sei. Der Vorfall sei zu Konfrontationen eskaliert, bei denen einige Teilnehmer Soldaten bespuckt und Steine auf palästinensische Geschäfte geworfen hätten. Verteidigungsminister Israel Katz habe die Siedlerführer aufgefordert, die Gewalt zu verurteilen.