Der Rechtsstreit gegen die EU-Kommission wegen der Nichtveröffentlichung von Textnachrichten zwischen Ursula von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla über einen undurchsichtigen Covid-19-Impfstoffdeal ist am Freitag in Luxemburg in die Anhörungsphase eingetreten.
Der Fall wurde unter anderem von der New York Times angestoßen und konzentriert sich auf Fragen der Transparenz im Zusammenhang mit der Beschaffung von 1,8 Milliarden Impfstoffdosen von Pfizer/BioNTech im Mai 2021. Ursula von der Leyen wird vorgeworfen, diesen Deal per Textnachrichten mit dem CEO von Pfizer, Albert Bourla, ausgehandelt und dabei den regulären Amtsweg umgangen zu haben.
Die EU hatte sich obendrein geweigert, diese Nachrichten offenzulegen. Grund: SMS würden aufgrund ihres «flüchtigen Charakters» nicht als offizielle Dokumente gelten (wir berichteten hier, hier, hier, hier und hier).
Nach wiederholten gescheiterten Versuchen, die Nachrichten zu erhalten, hatte die New York Times im Januar 2023 Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Die Zeitung argumentiert, dass gemäß «der EU-Verordnung von 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten» Textnachrichten als «Dokumente» gelten und aufbewahrt und auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden sollten.
Die Verordnung definiere ein «Dokument» als «jeden Inhalt, unabhängig von seinem Medium (auf Papier, in elektronischer Form oder als Ton-, Bild- oder audiovisuelle Aufzeichnung), der eine Angelegenheit im Zusammenhang mit der Politik, den Tätigkeiten und den Entscheidungen im Verantwortungsbereich des Organs betrifft». Die New York Times ist der Meinung, die Kommission habe es versäumt, die Textnachrichten ordnungsgemäß zu dokumentieren und zu registrieren.
Wie die Financial Times berichtet, haben die Richter am Freitag die Anwälte der Kommission mehrere Stunden lang über die Art des Austauschs zwischen von der Leyen und Bourla und die Bemühungen der Kommission befragt, «diese Nachrichten wiederzufinden».
Letztendlich geht es um Milliardenverträge, die von der Leyen hinter verschlossenen Türen ausgehandelt haben soll. In einer Parlamentssitzung bezifferte die EU-Abgeordnete Christine Anderson (AfD) die Summe der verprassten Steuergelder im April 2024 auf über 35 Milliarden Euro. Als sie von der Leyen deshalb der Korruption und Vetternwirtschaft bezichtigte, wurde ihr das Mikrofon abgestellt (hier und hier). Mit den 1,8 Milliarden Impfstoff-Ampullen hatte von der Leyen die Anzahl der Dosen für jeden EU-Bürger auf etwa zehn erhöht.
In einem separaten Fall hatte das Gericht im Juli festgestellt, dass die EU-Kommission Einzelheiten zu den Verträgen mit den Impfstoffherstellern Pfizer/BioNTech, Moderna und AstraZeneca nicht hätte verheimlichen dürfen, und sie aufgefordert, Informationen offenzulegen, einschließlich Erklärungen zu Interessenkonflikten der beteiligten Beamten. Klage in diesem Fall hatte zum Beispiel die spanische Menschenrechtsgruppe Liberum eingereicht (wir berichteten).
Die Kommission hat gegen das Urteil vor kurzem Berufung eingelegt (hier und hier). Die Klage der New York Times könnte laut der Financial Times einen wichtigen Präzedenzfall für die Transparenzregeln der EU schaffen und dafür, was als offizielles, öffentlich zugängliches Dokument eingestuft wird.
Der Anwalt der EU-Kommission, Paolo Stancanelli, erklärte am Freitag vor Gericht, er könne die Existenz der zwischen von der Leyen und Bourla ausgetauschten Nachrichten weder bestätigen noch dementieren.
«Wenn die Textnachrichten wesentliche Informationen enthielten, wären sie in den Akten der Kommission für offizielle Dokumente registriert worden», so Stancanelli.
Da seine Mandantin die Existenz der Nachrichten nicht bestätigen könne, sei er nicht in der Lage, den Richtern über «die Art dieser Nachrichten» Auskunft zu geben. Sollten diese Texte ausgetauscht worden sein, so hätten sie lediglich dazu gedient, weitere Gespräche zwischen von der Leyen und Bourla zu planen, und hätten keine sachdienlichen Informationen enthalten, behauptete Stancanelli. Die Kommission führe keine Aufzeichnungen über Textnachrichten, die von dienstlichen Telefonen aus gesendet werden, es sei denn, sie würden als offizielle Dokumente abgelegt und gespeichert.
Mehrere Richter bei der Anhörung waren, wie die Financial Times schreibt, mit dieser Argumentation nicht einverstanden. «Die Kommission sagt, dass (...) ein Gericht, das die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen kontrollieren soll, sich einfach auf ihr Wort verlassen muss», wird der Richter Iko Nõmm zitiert. «Ich habe das Gefühl, dass Sie versuchen, die Bedeutung dieses Falles herunterzuspielen», konstatierte Krisztián Kecsmár, ein weiterer Richter, der hinzufügte, dass Transparenz und Zugang zu Dokumenten in der EU zu den Grundrechten der Bürger gehören.
Die New York Times-Anwältin Bondine Kloostra unterstrich ebenfalls die «entscheidende Rolle für die demokratische Kontrolle», die Transparenz und öffentlicher Zugang zu Regierungsunterlagen spielen. Für sie sei der Fall bedeutsam, da er die Frage aufwerfe, «ob Beamte sich der öffentlichen Transparenz entziehen können, indem sie über Textnachrichten kommunizieren». Es wird erwartet, dass das Gericht sein Urteil in einigen Monaten verkündet.
Am 6. Dezember will ein Gericht in Lüttich darüber entscheiden, ob die belgische oder die Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA, auch EPPO) für die weiteren Ermittlungen in von der Leyens Pfizergate-Affäre zuständig ist.
Die Justizbehörden im Lüttich hatten die Ermittlungen aufgrund einer Anzeige des lokalen Lobbyisten Frédéric Baldan vor etwa zwei Jahren eingeleitet und im Mai 2024 vor den Parlamentswahlen ausgesetzt. Man wolle abwarten, ob es von der Leyen gelinge, erneut EU-Chefin zu werden, hieß es. Laut Baldan hatten sich im Juli 2024 insgesamt 1500 Beschwerdeführer angeschlossen (wir berichteten hier, hier und hier).
Kommentar Transition News:
Es ist nicht das erste Mal, dass von der Leyen in einen Korruptionsfall verwickelt ist, in dem es um Textnachrichten auf ihrem Diensthandy geht. Schon als deutsche Verteidigungsministerin war die mächtigste Frau Europas in einen «handfesten Skandal» verwickelt, bei dem solche Nachrichten zufällig verschwanden.
Dieser kam 2018 ans Licht – und es ging um Aufträge an externe Beratungsunternehmen wie McKinsey, KPMG und Accenture, die das Verteidigungsministerium massenhaft vergeben hatte. Ausschreibungsverfahren wurden dabei umgangen, Aufträge lieber freihändig verteilt. Der Mainstream, damals noch nicht ganz so regierungstreu wie heute, hatte mehr oder weniger empört über die Machenschaften von «Flinten-Uschi» informiert (wir berichteten hier und hier).
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