In diesen kriegerischen Zeiten ist es wichtiger denn je, die wahren Gründe vergangener Kriege zu verstehen, damit man heute weiteren Eskalationen entgegenwirken kann. Um die Erinnerung an den NATO-Angriffskrieg auf Serbien vor genau einem Vierteljahrhundert wachzuhalten, werden wir in dieser Serie elf Wochen lang einmal wöchentlich dessen Hintergründe beleuchten. Genauso lange wurden die Serben bombardiert. Nachfolgend wird die Serie mit Teil 4 fortgesetzt (Teil 1, Teil 2, Teil 3).
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Der Westen schürt Gewalt
Nachdem Jugoslawien von den USA und Europa durch ökonomische Massnahmen fragmentiert wurde, ging es darum, den Zerfall des Landes zu beschleunigen. So beschreibt der US-Historiker Michael Parenti in seinem Buch «To Kill a Nation – The Attack on Yugoslavia», wie die Westmächte «die rückschrittlichsten, gewalttätigsten separatistischen Elemente mit allen Vorteilen wie Geld, Organisation, Propaganda, Waffen, angeheuerten Schlägern und der ganzen Macht des nationalen Sicherheitsstaates der USA in ihrem Rücken» versorgten. «Einmal mehr sollte der Balkan balkanisiert werden.»
Parenti widerspricht der offiziellen Darstellung, dass es serbische Massenverbrechen in den Jahren 1991 bis 1995 waren, die eine westliche Intervention erforderlich machten. Tatsächlich seien die westlichen Mächte bereits vor dieser Zeit tief in die Anstiftung von Bürgerkrieg und Sezession in der FRY verwickelt gewesen. Einer der frühesten und aktivsten Unterstützer der Sezession sei Deutschland gewesen, das 1991 erstmals offen die Zerschlagung Jugoslawiens befürwortet, aber Slowenien und Kroatien lange zuvor ermutigt habe. Die USA hätten zwar Jugoslawien mit Worten unterstützt, doch es mit Taten unterminiert. Dafür führt der Historiker einige Beweise an:
«1984 erliess die Reagan-Regierung die ehemals geheime US-National Security Decision Directive 133: ‹U.S. Policy Toward Yugoslavia›. Eine zensierte Version dieses Dokuments folgte eng den Zielen einer früheren Richtlinie für Osteuropa, die auf eine ‹leise Revolution› abzielte, um kommunistische Regierungen zu stürzen, während gleichzeitig ‹die Länder Osteuropas in den Orbit des Weltmarktes [des Kapitalismus] zurückgeführt werden sollen›. Die in Jugoslawien unter dem Druck des IWF und anderer ausländischer Gläubiger beschlossenen wirtschaftlichen ‹Reformen› verlangten, dass alle Unternehmen in gesellschaftlichem Besitz und alle von Arbeitnehmern geleiteten Produktionseinheiten in private kapitalistische Unternehmen umgewandelt werden.»
Wie schon in Teil 3 dieser Serie erklärt, hatte das Vorgehen der USA, Deutschlands und einiger anderer europäischer Länder laut Lord Peter Carrington, dem ehemaligen Vorsitzenden der Friedenskonferenz für Jugoslawien, dafür gesorgt, «dass es in der Region zu einem Konflikt kommen würde».
Gemäss dem britischen Journalisten Richard Palmer unterstützte Deutschland die Feinde Serbiens auf aggressive Weise. Er erwähnt eine «Monitor»-Sendung der ARD vom 27. Februar 1997, die aufdeckte, dass deutsche Geheimdienstagenten Waffen an die bosnischen Muslime schmuggelten – unter dem Deckmantel neutraler EU-Beobachter. Andere Beobachter bestätigten, dass deutsche EU-Beobachter diese Lieferungen durch Kroatien und Bosnien durchführten.
Gemäss «Monitor» stammten die von der kroatischen Luftwaffe eingesetzten Mig-21-Flugzeuge «nachweislich aus Deutschland». Sie seien «in der ehemaligen Sowjetunion komplett überholt und über Ungarn nach Kroatien geliefert» worden. Weiter heisst es in der Sendung:
«Kampfhubschrauber, Panzer, Artillerie – viele der kriegsentscheidenden Waffen – wurden nach Informationen des amerikanischen Verteidigungsnachrichtendienstes (DIA) mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes geliefert. Dies wird auch von dem international anerkannten Militärexperten Paul Beaver bestätigt. (…) Ohne den deutschen Geheimdienst hätte der Schmuggel nicht durchgeführt werden können.»
Die Anschuldigungen verursachten einen Aufruhr im deutschen Parlament, aber wie der Telegraph im April 1997 berichtete, «liegt der Kern des Problems für viele deutsche Politiker vielleicht gar nicht in den Operationen des Bundesnachrichtendienstes, sondern vielmehr darin, dass er ertappt worden zu sein scheint.»
Die Ausgabe des Intelligence Digest der CIA vom 11. bis 25. August 1995 bestätigte laut Palmer, dass deutsche Piloten die kroatische Luftwaffe ausbildeten.
Eine Analyse des International Centre for Counter-Terrorism (ICCT) ermittelte zudem, dass deutsche Neonazis in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien an der Seite Kroatiens gekämpft hatten. Später hätten sie paramilitärische Ausbildungslager eingerichtet, seien einflussreiche Figuren in der rechtsextremen Szene geblieben und hätten Waffen und Sprengstoff aus dem Konfliktgebiet nach Deutschland geschmuggelt.
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